LE CHATEAU PERDU
TV 1972 Regie: François Chatel Buch: Pierre Bost und Claude-André Puget, nach dem gleichnamigen Stück von Claude-André Puget, basierend auf den Memoiren von Saint Simon Kamera : Jean Limousin Schnitt : Christine Coutel Ausstattung : Jacques Maestro Kameramänner: Yves Kerros, Gérard Espinasse, Jean-Patrick Martin Ton: Michel Hubert Zeichnungen: Jean Gourmelin Script: Jacqueline Dancourt Produzent: Paul Letailleur Erstausstrahlung: 15.05.1973 FR3
Darsteller:
Claude Titre (Fargues), Lise Delamare (Anne d’Autriche), Claude Jade (Louise de La Vallière), Michel Pilorgé (Louis XIV), Pierre Nunzi (Comte de Lauzun), Bernard Cara (Monsieur de Lamoignon), Xavier Saint-Macary (Comte de Guiche), Jean-Claude Ballard (Marquis de Vardes), Jacqueline Mille (Madame de Lamoignon), Gérard Chevallier (Prince de Condé), Raoul Curet (un sbire) u.a.
1662, zehn Jahre nach der Fronde: König Louis XIV erfährt von der Nachbarschaft des Baron de Fargues. Diesem „Frondeur“ können er und seine Mutter Anna von Österreich nicht verzeihen: Der durch gefälschte Beweise von der Königsfamilie zum Tode verurteilte Baron de Fargues erhofft sich Rettung durch die einzige Frau am Hof von Einfluss, Louise de La Vallière. Sie empfängt einen Gesandten, den Comte de Lauzun und wendet sich an den König…

Louise de La Vallière (Claude Jade) mit dem Comte de Lauzun (Pierre Nunzi) und König Louis XIV (Michel Pilorgé)
1972 pendelt Claude Jade ständig zwischen Paris und Rio de Janeiro, wo ihr Verlobter lebt. Sie reist mit Bernard auch nach Algerien, so dass auch enge Freunde sie vermissen.
François Truffaut schreibt ihr im Juli, dass sie seit einem Kinobesuch der „Damen vom Bois de Boulogne“ nicht mehr von sich hören ließ: „Ich denke oft an dich und frage mich, was du tust, was mit dir passiert ist. Ich möchte mir einreden ‚wenn sie nicht schreibt, ist alles gut und sie ist glücklich‘, aber ich bin mir nicht sicher, und ich denke traurig, dass es dir an Vertrauen in mich fehlt und dass die Dinge für dich schief laufen könnten, ohne dass du an mich denkst als jemanden, der dir helfen und dich trösten kann; du siehst, dass mein Kopf wegen dir in Aufregung ist durch Gedanken, die nicht alle rosig sind.“
Truffaut hatte sich noch zuvor daran gestört, dass sie in „Le bateau sur l’herbe“ ihre erste unsympathische Rolle gespielt hatte. Nach „Les feux de la Chandeleur“ (Kerzenlicht), in dem sie ihm gefiel und von dem er sagte, dieser Film lösche rasch das Bild des Mädchens aus „Le Bateau“, dreht Claude Jade 1972 drei weitere Filme: „Le château perdu“, „La Mandragore“ und „Home sweet Home“.
Die Rolle in „Le château perdu“ könnte nach Truffauts Geschmack gewesen sein, wenngleich er Pierre Bost, den Drehbuchautor des Films, 1954 in seinem Aufsatz „Eine gewisse Tendenz im französischen Film“ kritisiert hatte. Er warf den Cinéma-de-qualité-Drehbuchautoren Jean Aurenche und Pierre Bost vor, dass sie vorgeblich nicht drehbare Szenen der literarischen Vorlagen durch „äquivalente“ Szenen ersetzten – und dass sie das Kino unterschätzten. Bost schrieb für Filme von Claude Autant-Lara (Stendhals „Rot und Schwarz“), einen Hauptvertreter von üppigem Ausstattungskino, der zur Zeit des Kampfes um die Cinémathèque (siehe „Geraubte Küsse“) als einziger Regisseur weltweit Henri Langlois attackierte. Später zog Autant-Lara für Le Pens Front National ins Europaparlament ein, aus dem er kurz danach wegen seiner grauenvollen Antrittsrede als Alterspräsident entfernt wurde. Nun war Bosts Regisseur François Chatel, der auf Theateraufzeichnungen fürs Fernsehen spezialisiert war. Basierend auf zwei Seiten aus den Erinnerungen von Saint-Simon und dem daraus entstandenen Theaterstück „Le chateau perdu“ von Claude-André Puget entwickelte Pierre Bost gemeinsam mit Puget ein Drehbuch für einen 85minütigen Fernsehfilm.
Die zentrale Hauptrolle des Baron de Fargues spielt Claude Titre. Er war von 1960 bis 1965 Titelheld in Robert Vernays Abenteuerserie „Bob Morane“. Seine erbitterte Kontrahentin Anna von Österreich spielt Lise Delamare, berühmt geworden als Marie-Antoinette in Jean Renoirs „La Marseillaise“. Bei Vernay war sie in dessen 1943er Version des „Grafen von Monte Christo“ die Haydée, literarisches Vorbild für Claude Jades Linda in „Gejagt wie Monte Christo“. Deren Sohn, Sonnenkönig Louis XIV, spielt Michel Pilorgé (Foto links), ein ehemaliger Mitschüler von Claude bei Jean-Laurent Cochet, der seinen Freund Gérard Depardieu zu dessen Kursen brachte. Außerdem mit von der Partie ist Xavier Saint-Macary, der sein Filmdebut kurz zuvor als Jean-Pierre Aumonts junger Liebhaber Christian in François Truffauts „Die amerikanische Nacht“ gab und später in Truffauts letztem Film „Auf Liebe und Tod“ Fanny Ardants Ex-Mann Bertrand Fabre spielte.

Lauzun (Pierre Nunzi), De Guiche (Xavier Saint-Macary) und De Vardes (Jean-Claude Ballard) erhoffen Hilfe von Louise de La Vallière (Claude Jade)
Die Geschichte setzt 1662, zehn Jahre nach der Fronde, ein. Die einstige Regentin Anna von Österreich (Lise Delamare) musste mit ihrem inthronierten Sohn vom Hofe flüchten. Sie kann dem Baron de Fargues (Claude Titre), damals die rechte Hand des Prince de Condé, nicht verzeihen. Louise de La Vallière (Claude Jade), die Maîtresse des Regenten Louis XIV (Michel Pilorgé), ist gerade an den Hof von Fontainebleau zurückgekehrt. Sie hatte fliehen müssen, weil sie das Geheimnis einer Liaison der Schwägerin des Königs mit dem Comte de Guiche (Xavier Macary) nicht preisgeben wollte. Nun entdeckt jener ihr dankbare Comte während der Jagd im Wald von Saint-Germain gemeinsam mit dem Comte de Lauzun (Pierre Nunzi) in einem abgelegenen Schloss den Baron.
Dem einst Amnestierten de Fargues droht inzwischen das königliche Todesurteil. Denn die Nachbarschaft von Fargues im château de Courson beunruhigt Anna und sie lässt Beweise fälschen. De Guiche hofft in seiner Verbindung zu Louise auf Hilfe durch die einzige Person am Hofe, die den König überreden könnte, das Urteil aufzuheben. Der von ihm gesandte Lauzun bedrängt Louise de La Vallière, sich für die Rehabilitierung des Barons einzusetzen.

Zwei ehemalige Schauspielschüler von Jean-Laurent Cochet : Claude Jade als Louise de La Vallière und Michel Pilorgé als Louis XIV
Wenngleich sie ihn nur wenig ermutigen kann, da politische Ränke nicht ihre Angelegenheit seien, setzt sie sich beim König ein. Claude Jade spielt in der kalten Inszenierung die La Vallière als jenes unschuldige, religiös denkende Mädchen, das diese Beziehung weder mit Koketterie noch mit Eigennutz unterhält. Sie appelliert an des Königs Herz: „Dies ist das erste und letzte Mal, dass ich mit Euch über etwas anderes als unsere Liebe rede“.
Der Zorn auf den Baron gehöre einer anderen Epoche an, nun sei es Zeit für Gnade, für Verständnis. Die Mutter des Königs erkennt, dass ausgerechnet Louise für die sentimentalen Anwandlungen ihres Sohnes verantwortlich ist. Diese Unerhörtheit erzürnt die verbitterte Regentin um so mehr. Sie kennt keine Gnade und der Baron wird hingerichtet; die Reinheit des Herzens unterliegt dem Gericht, der Unbarmherzigkeit.
Der von Pierre Bost für eine Länge von 85 Minuten angelegte Fernsehfilm wurde dann auf 52 Minuten gekürzt. Der 1975 verstorbene Theaterautor Claude-André Puget, bei der Verfilmung auch Bosts Co-Autor, war empört: „So blieb nur das Skelett einer Episode.“
Claude Jades Rolle in dem kleinen Fernsehspiel ist etwas limitiert, doch sie füllt sie mit Würde und Grazie: „Die Rolle war schön, aber ich fühlte mich auch sehr kalt.“ Sie zeigt, dass Claude Jade prädestiniert war für Heldinnen von Balzac und Stendhal, etwa eine Mathilde de La Mole in „Rot und Schwarz“, doch diese Art von Filmen, wie Bost sie einst schrieb, war Mitte der 1970er Jahre längst nicht mehr zeitgemäß. Am ehesten noch war es die Françoise in „Mauregard“ von Truffauts Co-Autor Claude de Givray, die diesem Bild einer historischen Heldin entsprach.
Louise de La Vallière wurde nach „Le château perdu“ wenig später in zwei englischsprachigen Filmen porträtiert, 1977 von Jenny Agutter („The Man in the Iron Mask“) und 1979 von Ursula Andress („The Fifth Musketeer“) in den Verfilmungen von Alexandre Dumas‘ letztem Musketier-Band „Der Vicomte von Bragelonne“.
Pierre Bost hatte zur Zeit von „Le château perdu“ auch das Drehbuch zu einer TV-Adaption von Stendhals „Lucien Leuwen“ geschrieben, die als Vierteiler ebenfalls 1973 ins Fernsehen kam. Regie führte sein alter Stammregisseur Claude Autant-Lara.
Bost fand bald darauf wieder große Anerkennung mit seinen Drehbüchern für Bertrand Tavernier: „Der Uhrmacher von Saint-Paul“ (1974) und „Der Richter und sein Mörder“ (1976). Den César für letzeren konnte er sich nicht mehr mit Tavernier und Jean Aurenche teilen: Pierre Bost starb, wie Claude-André Puget, 1975.