Michel Subor 1935 – 2022

Claude Jade und Michel Subor 1969

„Fotografie ist die Wahrheit. Und Kino ist 24 Mal die Wahrheit pro Sekunde“. Diesen berühmten Satz sagte Michel Subor als Godards „Der kleine Soldat“, ein Film, der erst drei Jahre nach seiner Fertigstellung ins Kino kam.  Um die Wahrheit geht es auch einer weiteren wichtigen Filmfigur in Subors Karriere: als Schwiegersohn eines in Bedrängnis gerateten Agenten – und Ehemann der von Claude Jade gespielten Agententochter – ist er in Alfred Hitchcocks „Topas“ der Journalist François Picard, der einem Mitglied des in Frankreich operierenden sowjetischen Spionagerings „Topas“ die Wahrheit entlockt.


Mischa Sobietsky, Vater Russe, Mutter aus Aserbaidschan, wird 1935 in Paris geboren. Als Anti-Bolschewisten waren sie aus der Sowjetunion nach Frankreich emigriert.  In seiner ersten kleinen Filmrolle spielt er bereits an der Seite seiner späteren „Topas“-Schwiegermutter Dany Robin in „Frou Frou“ einen Restaurantbesucher. Die Hauptrolle in Jean-Luc Godards „Der kleine Soldat“ hätte ihn bereits 1960 berühmt gemacht, doch der Film lag wegen der verschärften Filmzensur zur Zeit des Algerienkrieges bis 1963 auf Eis. Die Stimme von Subor, der 1959 sein Theaterdebüt als Ersatz für Serge Reggiani in Sartres „Die Eingeschlossenen von Altona“ gab, hatte François Truffaut ausreichend verführt, ihn als Erzähler von „Jules und Jim“ einzusetzen.

Dany Robin, Claude Jade, Frederick Stafford und Michel Subor in „Topas“

In der Zwischenzeit war er der Partner von Brigitte Bardot in einer in einer von der Kritik geschmähten Erotikkomödie von Roger Vadim („In Freiheit dressiert“), spielte den tragischen Helden im Deserteursdrama „Ferien in der Hölle“ und war der Liebhaber von Marie-José Nat in Michel Drachs Ehedrama „La vie conjugale“.  1968 wird er von Alfred Hitchcock für „Topas“ engagiert. Er spielt den Ehemann von Michèle (Claude Jade), Tochter des französischen Agenten André Devereaux (Frederick Stafford).

Frederick Stafford (1928-1979) , Claude Jade (1948-2006), Michel Subor (1935-2022)

Michel Subor und Claude Jade: „With a wife like this, one can afford to be modest“

Alfred Hitchcock hat die Romanvorlage geändert, so dass François Picard bereits zu Beginn mit Michèle und ihren Eltern seine Flitterwochen in New York verbringt. Im Roman ist Michèle im ersten Teil noch mit einem amerikanischen Snob verlobt und beginnt gegen den Willen ihres Vaters eine Beziehung mit dem unbequemen Pariser Journalisten. Subor darf so bereits zu Beginn seinem Schwiegervater helfen und hat später die Aufgabe, den „Topas“-Spion Henri Jarré (Philippe Noiret) zu entlarven. Kenner des damals in Frankreich verbotenen Romans rechnen mit François Tod, als Michèle bei einem Blick aus Jarrés Fenster einen Toten auf einem im Hof stehenden Auto liegen sieht.

Claude Jade, Michel Subor

Michel Subor und Claude Jade in Alfred Hitchcocks „Topas“

In Leon Uris‘ Roman „Topas“ wird François ermordet: Seine Mörder locken Michèle aus der Wohnung und klingeln kurz darauf. In der Annahme, Michèle sei zurückgekehrt, öffnet er und wird totgeschlagen. Michèle und ihre Mutter flüchten dann über die spanische Grenze. Bei Hitchcock überlebt François. So kann er Michèle seine Zeichnung des toten Verräters Henri Jarré zeigen – den Nicole als Besucher ihres Liebhabers Jacques Granville erkennt. Hitchock lässt Michel Subor einen markanten Satz sagen, als er angeschossen zu Michèle und ihren Eltern heimkehrt: „„I’ve been shot… just a little.“ Dass reichliche Filmblut auf seinem Hemdärmel ironisiert diesen Satz ebenso wie Michèles Replik: „What do you mean: Not bleeding?“

Dany Robin, Michel Subor, Claude Jade, Frederick Stafford. „What do you mean: Not bleading?“

Als „Topas“ 1969 herauskommt, werden einige Szenen mit Subor werden geschnitten und erst 1999 im Director’s Cut veröffentlicht: Ein amüsanter Dialog mit Michèle über die UNO-Delegierten und die Wildheit der Kubaner, eine Fahrt mit Michèle und André vom Flughafen Orly zum Haus des „Topas“-Chefs Jacques Granville, eine innerfamiliäre Diskussion über ein Duell zwischen André und Granville und schließlich François als Andrés Sekundant beim Duell im Stadion Charléty.

Claude Jade und Michel Subor in Alfred Hitchcocks „Topas“

Parallel zu „Topas“ spielen Claude Jade und Michel Subor Hauptrollen in der sechsteiligen Familiensaga „Mauregard“ und pendeln dafür zwischen Frankreich und Hollywood. Subor ist als Ersatz für den ausgefallenen Jean-Marc Bory. Allerdings haben Claude Jade und Michel Subor in „Mauregard“ keinen gemeinsamen Szenen, da ihre Rollen zeitlich durch 40 Jahre getrennt sind. Claude Jades Rolle von Michel Subors Großtante Françoise wird als gealterte Figur übrigens von einer Schauspielerin gespielt, die ebenfalls mit Alfred Hitchcock gearbeitet hatte: Brigitte Auber als über den Dächern von Nizza balancierende Diebin Danielle aus „To Catch a Thief“.
Michel Subors Karriere verläuft in den 70er und 80er Jahren diskret, bis er 1990 dank Claire Denis ein großes Comeback hat: „Beau Travail – Der Fremdenlegionär“, ein homoerotisches Soldatendrama und zugleich Reminiszenz an Subors großen Erfolg als „Der kleine Soldat“: auch hier heißt er wie bei Godard Bruno Forestier, dessen Geschichte Denis weiterspinnt. Claire Denis arbeitet mit Michel Subor in drei weiteren Filmen („L’intrus – Der Feind in meinem Herzen“, „White Material – Land in Aufruhr“, „Les Salauds – Dreckskerle“) . Nach Subors Tod – er verstarb nach einem Autounfall im Krankenhaus –  schreibt Claire Denis am 17. Januar  „le grand petit soldat est mort“.

Claude Jade und Michel Subor in Alfred Hitchcocks „Topaz“

Dany Robin, Michel Subor, Claude Jade. Topaz

Michel Subor, Claude Jade und Dany Robin in Alfred Hitchcocks „Topas“

Claude Jade und Michel Subor in „Topas“

Link: Galerie Michel Subor und Claude Jade in Alfred Hitchcocks „Topas“

Claude Jade, Michel Subor „Topaz“