Une petite fille dans les tournesols

Une petite fille dans les tournesols, film de Bernard Ferie, avec Claude Jade, Bernard Rousselet, Bruno Pradal, Isabelle CagnatUNE PETITE FILLE DANS LES TOURNESOLS
TV-Film 1984 Regie: Bernard Férié  Buch: Bernard Férié  Kamera: André Zarra  Musik: Christian Maire  Schnitt: Alain Kippeurt Ausstattung: Michèle Lusini  Kostüme: Anne de Mandiarges  Maske: Poum  Kameraführung: Jacques Gichet Babau, Jean Fauré Ton: Jean-Claude Patalane, Guy Loubet de l’Hoste, Louis Matabon, Guy Terret  Requisite: Mireille Isambier, Philippe Latron Regieassistenz: Philippe Courtemanche, Francis Gars   Set-Elektriker: Roland Bataille, Christian Nuz, René Lelaidier, Alain Payet Maschinisten: Pierre Eychenne, Daniel Duralec Produktionsassistenz: Edwige Laforge Fotografien: Christian Odein Script: Elsa Chabrol  Produktionsleitung: Jean Valette  Produktion: FR3 Toulouse  Midi Pyrenées EA: 05.12.1984

Darsteller: Claude Jade (Marelle), Bernard Rousselet (der Buchhändler), Bruno Pradal (Daniel), Isabelle Cagnat (das kleine Mädchen), Monique Mélinand (die Bäuerin), Maud Rayer (Françoise, Marelles Kollegin), Éric Cavanhac (Daniel als Junge), Raymond Castelanelli (der Priester), Hélène Dupront (die alte Frau), Lucienne Pujol (die Großmutter) u.a.

Lehrerin Marelle, die ihren Mann Daniel verloren hat, findet keinen Trost. Sie reist in den Ort seiner Kindheit und stößt dort auf Trauer um ein Unglück in Daniels Vergangenheit. Auf der Suche nach sich selbst muss Marelle in einer Höhle wie einst Orpheus und Eurydice eine Entscheidung treffen… Poetische Reise in die Bewältigung von Trauer, ausgezeichnet mit dem Prix des auteurs.

„Claude Jade, zur Zeit drehen  Filmschauspieler nicht gern fürs Fernsehen. Gibt es da eine Gegenentwicklung?“, fragt Philippe Bachmann in seiner Sendung „La vie à plein temps“ im Juni 1983.
Claude Jade: „Ich denke, dass einige nicht gern fürs Fernsehen drehen, dabei ist das Fernsehen ein außergewöhnliches Instrument für ein großes Publikum. Und es gibt hochwertige Filme, interessante Qualitätsfilme, die für das Fernsehen gedreht werden.“

Claude Jade ist Gast in Bachmanns Sendung, in der die Arbeit zum Fernsehfilm „Une petite fille dans les tournesols“ besprochen wird, den sie gerade mit Bruno Pradal unter der Regie von Bernard Férie dreht. Bruno Pradal ergänzt: „Wenn mir das Kino nichts vorschlägt und ich vom Fernsehen Angebote bekomme, nehme ich sie natürlich an. Gerade habe ich das Glück, mir im Fernsehen Sachen aussuchen zu können. Das ist ein Luxus.“
Ebenfalls zu Gast sind neben Filmkritiker Raymond Borde Kinostar Gérard Jugnot und Regisseur Richard Balducci. Balducci verweist darauf, dass Regisseur André Cayatte („Schwurgericht“, „Aus Liebe sterben“ mit Bruno Pradal) inzwischen auch für das Fernsehen drehe.
Komiker Jugnot sorgt sich darum nicht, für ihn läuft es gut im Kino. Er bedauert, dass das Lachen im Fernsehen nicht existiere. Ob das ernste schwere Zeug überwiege, weiß Bernard Férié zu beantworten: „Gerade nicht bei dem kleinen Mädchen in den Sonnenblumen, aber danach vielleicht schon.“ Jugnot, mit von der Kritik als unwitzigem Klamauk  bewerteten Kinoerfolgen wie „Die Strandflitzer“,  „Sonne, Sex und Schneegestöber“ und „Ferdinand, die Superglatze“ ein populärer Star, findet, das Fernsehen sei im Gegensatz zum Kino leider trotz der Mühen am Werk ein Medium zum Zappen.

Gérard Jugnot habe zwar bereits fürs Fernsehen gedreht, doch er nutze es lieber für die Promotion seiner Filme.
Die Gäste unterlassen es, die filmkünstlerische Qualität seiner Art von Kinounterhaltung zu hinterfragen; ein Aspekt, der bei der Frage um den Unterschied zwischen Kino- und Fernsehfilmen in der Runde außer Acht gelassen wurde.

Die Bildsprache von Kameramann André Zarra für „Une petite fille dans les tournesols“ ist die der Filmkunst. Zarra, der neben Kinofilmen auch Mehrteiler wie  „Die Lederstrumpferzählungen“ von Pierre Gaspard-Huit und Wolfgang Staudtes „Der Seewolf“ fotografierte, unterstützt mit düsteren Landschaftsbildern und mystischen Arrangements den Sog dieser geheimnisvollen Geschichte.

„Die Ausgangsidee, die sich stetig unter der Erzählung selbst ausgleicht“, erklärt Bernard Ferié, „ist mir mehrere Male auf dem Lande im Gers von ältereren Menschen anvertraut worden. Es ist ihnen ein Tabu, sich an einem als heilig gekrönten Ort umzudrehen, während einer religiösen Zeremonie, im vorliegenden Fall auch bei der Eheschließung von Marelle und David. Dieses lokale Tabu erinnert an bestimmte Mythen wie eben jene von Orpheus und Erydike.“
So beginnt Fériés mystisches Märchen für Erwachsene mit einer Trauungszeremonie.

Ein noch Unbekannter betritt die Kirche.  Im Kuss mit Daniel hört Marelle das Weinen eines Mädchens. Auch Daniel hört es und in Bruno Pradals Gesicht erscheint ein Blick des Erkennens und der Schuld. Marelle dreht sich langsam um und in diese Bewegung hinein schreit eine alte Frau „Nein“. Marelle und Daniel erstarren.

Nach diesem Prolog beginnt der Film mit der Zeit nach Daniels Verschwinden. Seit drei Monaten ist Marelle in Trauer, die Zukunft bedeutet ihr nichts, die Gegenwart interessiert sie nicht mehr. Sie weiß nur, dass ihr Ehemann heimlich in den Ort seiner Kindheit fuhr. Ihrer Lehrerkollegin Françoise (Maud Rayer) vertraut sie an, dass sie die Sommerferien nutzen wird, um in den Südwesten des Landes zu reisen.

Maud Rayer (*1947) hat ihre erste große Rolle 1972 als Berthe Josserand in der Miniserie „Pot-Bouille“. 1976 war sie in einer Traumsequenz die Mutter des von Claude Jade gepflegten Michel Bouquet in „Les Anneaux de Bicêtre“ (Zwischen Tod und Leben). Nach Hauptrollen in Paul Sebans Fernsehfilmen „Le destin personnel“, „Pour Élisa“ und „Le dit de Guillaume de Machaut“ spielt sie 1982 bei Bernard Férié: in seinem Hölderlin-Drama „L’Ange foudroyé“ war Maud Rayer neben Mathieu Carrière dessen Muse Diotima alias Susette Gontard.

Die Verzweiflung Marelles, die sich weinend im Bett windet, sich um Daniels Kopfkissen klammert, leitet über in eine Rückblende.
Es ist der Tag von Daniels Verschwinden, ihre Erinnerung die an einen Streit.

Eine fotografische Komposition wie eine Vorlage für Gregory Crewdson

Während sich Daniel die Krawatte eng zurrt, öffnet Marelle ihren Bademantel, choreographiert in umgekehrten Bewegungen. Sie öffnet sich, er verschließt sich.
Marelle spricht ihn auf eine Freundin aus der Kindheit an, möchte wissen, was es mit dem Tod des Mädchens auf sich hat. Daniel  verspricht, sie bald aufzuklären: Im nächsten Sommer wolle er ein paar Tage mit ihr dort verbringen. Während sie sich anziehen, kommen Van Goghs Sonnenblumen ins Bild.

Bruno Pradal (1949-1992) war ein enger Freund Claude Jades („mon ami, mon presque frère“). Fünf Jahre nach „Une petite fille…“ spielten sie 1988 in Nantes in der Uraufführung des Stücks „Reglus 93“. Ein Stalker, der Claude Jade damals verfolgte, meldete an Europe 1 den Tod von Claude und Bruno im Hotel. In einer Telefonzelle konnte der Stalker verhaftet werden. 1990 drehten Claude und Bruno Pradal „L’éternité devant soi“; zwei Jahre später starb der Schauspieler bei einem Autounfall.    → Bruno Pradal

Im Renault 5 begibt sich Marelle ins Departement Gers.
Claude Jade steuert das Auto ohne Führerschein durch die Gascogne; ihre 1970 für den Film „Because I love“ begonnenen Fahrstunden wurden nie fortgeführt.
In der Stadt Auch angekommen, einem Ort, der aus der Zeit gefallen scheint, begegnet einem geheimnisvollen Buchhändler (Bernard Rousselet), den sie um ein Verzeichnis der Gegend bittet. Als sie  ihr Ziel, das Anwesen „Croze vieille“, nennt, wirkt der Mann beunruhigt. Seinen Fragen nach ihrem Grund weicht sie frostig aus.

Die erste Begegnung zwischen Marelle (Claude Jade) und dem Buchhändler (Bernard Rousselet) ist unterkühlt.

Bernard Rousselet (* 1935) war in den 1960er Jahren der Polizist Mareuil in der Serie „Allo police“ und der Poet Pierre in „Thierry la Fronde“. „Prunelle“-Regisseur Edmond Tiborovsky machte ihn 1973 zu Jean Marais‘ Co-Star in der Serie „Karatekas & co“. Im Fernsehen war Bernard Rousselet vor allem mit Literaturverfilmungen populär (Charles in „Eugénie Grandet“, Walter in „Die Frau in Weiß“). Seine Fernsehkarriere endete 1987, danach spielte er Anfang der 90er Jahre unter der Regie von Claude Jades „Britannicus“ Jean-Paul Lucet am Théâtre des Célestins.
 

Schauspielerin ohne Führerschein: Claude Jade fährt im Renault 5 durch Gers bis zum Areal „Croze vieille“

In „Croze vieille“ findet sie sich im mysteriösen Universum eines verlassenen Grundstücks wieder, doch eine brennende Kerze an einem gedeckten Tisch im Garten ist wie ein Gruß.
Erst in der Nacht betritt sie Daniels Elternhaus.

Am nächsten Morgen erblickt sie beim Öffnen der Fensterläden ein kleines Mädchen in den Sonnenblumen. Es hüpft durch das Feld, eine Melodie singend, die von nun an zu einem Thema des Films wird. Die Komposition von Christian Maire, interpretiert von der Yéyé-Sängerin Karine („J’ai vu partir“, „C’est lui“)   ist auf der psych’n’pop-Seite Bide & Musique zu hören: Karine – Une petite fille dans les tournesols

Das Erkunden von „Croze vieille“ und des großen Hauses erinnert deutlich an „L’île aux trente cerueils“ (Die Insel der dreißig Tode), die Serie, in der Claude Jade als Véronique ebenfalls erfüllt von Schmerz nach dem Verlust geliebter Menschen allein verwunschenes Terrain erschließt.

Marelle (Claude Jade) betrachtet Fotos von Daniel als Kind (Eric Cavanhac) und seiner Freundin (Isabelle Cagnat)

In der Nacht wird Marelle von einem Geigenspiel geweckt, jener Melodie, die auch das kleine Mädchen in den Sonnenblumen gesungen hatte. Sie folgt der Musik zu einer von Spinnweben verhangenen Tür und zündet das Netz mit der Flamme ihrer Kerze an, um nach dem Niederbrennen einen weiteren Raum zu erkunden.
Die Meldodie verklingt. Ein Zeichen von Daniel erhoffend, spricht sie in die plötzliche Stille seinen  Namen und schreit ihn verzweifelt heraus: „Daniel!“  In einem Schrank findet sie ein Kästchen mit der Aufschrift „Erst nach meinem Tod zu öffnen. Daniel“, das sie verschlossen lässt. Der Schrank kippt vornüber und dahinter liest Marelle an der Wand die handschriftliche Botschaft „Ich heiße Eurydike“.
Mit der ersten Erwähnung dieses Namens aus der griechischen Mytholgie schickt Bernard Férié seine Heldin in ein Bild, das einem Olivenhain aus der Welt von Orpheus und Eurydike entspricht.
Und das violette Kleid, das Marelle im Haus fand, kommt einem Gewand, wie Eurydike es getragen haben könnte, näher.
Marelle trinkt und wäscht sich an einem Brunnen, bis sie durch das Sonnenblumenfeld zu einem benachbarten Bauernhaus wandert.

Marelle belauscht dort eine Frau, die jemandem von Riten erzählt und dass man sich bei einer Zeremonie nicht umdrehen darf. Nun erblickt die Bäuerin (Monique Mélinand) die  mithorchende Frau. In der Tür erscheint der Buchhändler.

Im Sommer schließe er seine Buchhandlung für zwei Wochen und begebe sich auf Recherche, erzählt der Antiquar; inzwischen seit zwanzig Jahren.
Marelle mahnt sich – im inneren Monolog – zur Vorsicht, ihm nichts von ihren eigenen Untersuchungen zu verraten. Ist er Daniel vielleicht begegnet? Kennen sie sich von früher? Doch der Gascogner erforscht die regionale Ethnologie, studiert Mythen und Legenden.

Ein Gewitter beendet die Begegnung. Marelle sitzt allein auf „Croze vieille“; das „kleine Kräuseln“ wird von Blitzen erhellt. Claude Jade zeigt im Close up ihre  Authentizität in der Darstellung von Schmerz. Schon bei „Die Insel der 30 Särge“ nannte Regisseur Cravenne sie eine Ingmar-Bergman-Aktrice für Großaufnahmen. Als Marelle schreit sie echt wirkenden Schmerz heraus.

„Une petite fille dans les tournesols“ zeigt fünf Jahre nach „Die Insel der 30 Tode“ und zwei Jahre nach „Lise et Laura“, dass Claude Jade allein einen Film tragen kann. Und nicht nur mit ihrer Präsenz. In den überwiegenden inneren Monologen erweist sich Claude Jade erneut als eine exzellente Sprecherin. Bereits 1969 schrieb Maurice Clavel zur Premiere von Avertys „Sommernachtstraum“: „Man ist sich rasch sicher, dass Mademoiselle Claude Jade zum Sprechen keine Atempause braucht; sie agiert so schnell, dass man zu der Überzeugung gelangt, sie habe das Atmen über ihr Spiel vergessen. Und gerade das trägt erheblich bei zum Wunder dieses Films.“ Von ihrer Stimme leben auch die Fernsehsendung „Claude Jade lit Madame de Sévigné“, die Schallplattenaufnahmen „François le bossu“ und „Les Rapapommes“ sowie ab Mitte der 1990er Jahre Hörspiele wie „Mais qu’est-ce qu’on fait du violoncelle ?“ und „Pot Bouille“.

Die wenigen Dialoge hat Claude Jade hier vor allem mit Bernard Rousselet. Der Buchhändler besucht Marelle auf Daniels Hof, berichtet von seinem Gang übers Feuer in Polynesien und dass er sich nicht umdrehen durfte. „Wie die Frau von Lot? Wie Eurydice ?“, fragt Marelle. Er berichtet von einer Hochzeit hier im Ort, vor drei Jahren. Während der Buchhändler spricht, zeigt eine Rückblende erneut die Trauung von Marelle und Daniel.
Als der Buchhändler in die Kirche eintrat, stand das Paar mit dem Rücken zu ihm vor dem Priester. Dann, nach dem Kuss, war in der Kirche ein Weinen zu hören, es kam aus der Ecke, in die der Buchhändler sich gesetzt hatte, und die Braut drehte sich danach um. Eine alte Frau habe „Nein“ gerufen und das Kreuzzeichen gemacht. Was sie hier eigentlich suche, erkundet sich der Buchhändler. Marelle: „Eurydice.“

Als sie in Daniels Tagebuch liest, in dem er von seiner kleinen Freundin erzählt, spielen in den Rückblenden Eric Cavanhac den jungen Daniel und Isabelle Cagnat das kleine Mädchen.

Sie erfährt aus dem Tagebuch von einer Höhle nahe Croze vieille, zu der die beiden aufbrachen, Daniel mit einem Helm und das Mädchen mit einer Sonnenblume.
Nun erkundet Marelle das Terrain wie Claude Jade als Véronique es fünf Jahre zuvor auf der „Insel der dreißig Tode“ tat. Auch dort folgte sie mysteriösen Hinweisen.
Ging sie auf der Insel Sarek an den außergewöhnlich riesigen Blumen von Maguennoc vorbei, so ist es im Gers das Sonnenblumenfeld. Und in beiden Filmen findet sie im Gestrüpp den Eingang zu einer Höhle, der sie ihrem Ziel näherbringt.
Auf Sarek war es ihr verschwundener Sohn, hier ist es der verschwundene Mann.

Marelle (Claude Jade) hört am Ufer des Sees den Gesang des kleinen Mädchens (Isabelle Cagnat)

Marelle (Claude Jade) verfolgt „das kleine Mädchen in den Sonnenblumen“ (Isabelle Cagnat)

Sind bei der „Insel der dreißig Tode“ all die mysteriösen Ereignisse eine diabolische Intrige, so bleiben die Zeichen in „Ein kleines Mädchen in den Sonnenblumen“  geheimnisvoll; doch in beiden kommt die Heldin einem Geheimnis auf die Spur.
Aus den Sonnenblumen verfolgt Marelle das kleine Mädchen bis zum Hof der  Bäuerin. Das Mädchen ist verschwunden.

Die Bäuerin hat sie bereits erwartet: „Ich weiß, was Sie hier suchen, seit ihrer Ankunft.“ Sie habe nach einem Anruf des Buchhändlers den Tisch auf Croze vieille gedeckt. Und dann berichtet sie von dem Mädchen, das damals 13 Jahre war und mit  Daniel befreundet. Eines Tages verschwand sie und auch nach wochenlangen Befragungen kam von Daniel nichts. Der Buchhändler suche seit zwanzig Jahren ebenfalls nach Daniels Geheimnis. Er ist der Vater des kleinen Mädchens.

Monique Mélinand (1916 – 2012) Die Schülerin von Louis Jouvet wurde nach Madeleine Ozeray dessen Muse und Geliebte. Nach Jouvets Tod heiratete sie Jean Martinelli, Claude Jades Filmvater in „La passion de Camille et Lucile Desmoulins“. Im Kino hatte sie große Rollen in „La Pocharde“ (1953) mit Pierre Brasseur, als Jean Gabins Frau in „Vulkan im Blut“ (1956), in Édouard Molinaros „Die Nacht hat dunkle Schatten“ (1961) und als sterbende Monique in Maurice Pialats „Die Qual vor dem Ende“ (1974). 

Claude Jade, Bernard RousseletSie sucht erneut den Buchhändler auf, der ihr dankt, dass ihr Kommen auch ihn der Wahrheit näher bringt. Im Intervall von zwanzig Jahren sei sie es, die nun die Wahrheit finde. Finden müsse. Marelle entschließt sich, in die Höhle zu gehen, in den Hades.

Isabelle Cagnat (*1970) debütierte 1976 in „Marie-poupée“ mit Bernard Fresson. Nach der Nina neben Anna Karina in „L’éblouissement“ und der Chouchou in der Serie „Le tourbillon des jours“ spielte sie 1981 in „La gueule du loup“ neben Miou Miou die Nina.  Auf diese Nebenrollen folgt 1982 die Titelrolle der Sandrine in „La petite fille dans une paysage bleue“. Neben Filmen wie „Affairen à la carte“ (2009) spielt sie Theater, so 2014 in „Les amnésiques n’ont rien vécu d’inoubliable“ am Lucernaire, wo Claude Jade 2006 als Célimène ihre letzte Rolle gespielt hatte.

In der Höhle folgt sie dem Geigenspiel des Mädchens, das sich ihr zuwendet. Hier sei sie beim Spielen gestorben, beim Spielen mit Daniel, der immer mit ihr zusammen zu sein wollte. Sie schlägt Marelle ein Spiel vor, das sie allein spielen müsse, das Spiel Orpheus und Eurydike.

In der Höhle begegnet Marelle (Claude Jade) dem verschwundenen Daniel (Bruno Pradal)

Im Gang der Höhle steht Daniel, erstarrt, bleich wie das kleine Mädchen. Marelle geht an ihm vorbei, doch Daniel packt sie an der Schulter. „Wenn du dich nur ein einziges Mal umdrehst, bin ich gerettet.“ Marelle geht verzweifelt weiter, Daniels „Dreh dich um“ verhallt in der Höhle.

Die Suche ist beendet. Claude Jade und Bernard Rousselet in „Une petite fille dans les tournesols“

In der Höhle hatte sie entschieden, dass sie leben will. Der Film endet mit Marelles Monolog: „Wir haben alles gesagt. Und ich habe noch drei Wochen bis Schulbeginn. Bis dahin bleibe ich. Ich habe mich so weit wie möglich von den vergangenen Orten erholt. Und wenn später, eines Tages, jemand leise zu mir kommt, jemand klares, nur um sich dem Leben zuzuwenden, ich werde es nicht ablehnen.“

„Une petite fille dans les tournesols“ erhält 1985 den Prix de la Société des Auteurs. Télé Poche schreibt zur Ausstrahlung des Films: „…Heute ist sie, das junge weise Mädchen des französischen Kinos, geteilt zwischen ihrem Beruf als Schauspielerin und ihrem Familienleben. Zwar dreht sie jetzt wenig, doch es sind Rollen von Qualität…“