Le Bahut va craquer

Le bahut va craquer Claude Jade

LE BAHUT VA CRAQUER
Frankreich 1981 Regie: Michel Nerval  Buch: Martine Nerval  Kamera: Jean Badal  Schnitt: Robert und Monique Isnardon  Musik: Jean Musy  Ausstattung: Gérard Ollivier Kostüme: Renée Miquel Maske: Christiane Madrigali Sound: Joel Beldent, Michel Flour Regieassistenz: Bernard Maggi, Pablo Fréville, Didier Domingie, Pierre Abela Produzent: Luc Durand  Prod.: Prociné  EA: 13.05.1981
Darsteller:
Michel Galabru (Direktor), Claude Jade (Mademoiselle Ferrand, Philosophielehrerin), Darry Cowl (Maréchal, Mathelehrer), Fanny Bastien (Béa), Dany Carrel (Béas Mutter), Vincent Vallier (Gilles), Charlotte Walior (Muriel), Robert Castel (Englischlehrer), Henri Guybet (Aushilfslehrer), Jacques Monod (Polizeichef), Eric Civanyan (Francis), Chee Meas (Yoko),  Christophe Guybet (Bertrand), Christiane Montmory (Anne), Caroline Béranger (Véronique), Arnaud-Didier Fuchs (Yves), Jean-Pierre Edelman (Antoine), Christophe Perreaut (Emile), Nathalie Salima (Caroline), Paulette Frantz (Gilles’ Mutter), Bernard Cazassus (Gilles’ Vater), Katia Tchenko (Francis’ Schwester), Pierre Belot (Bertrands Vater), Dominique Delpierre (Bertrands Mutter), Robert Delarue, Benoît Tessier, Rudolph Monori, Gilbert Servien, Valérie Rojan, Bernard Montagner, Kathy Kriegel, Danielle Hazan, Pierre Barreau u.a.

Als die schwangere Béa von der Schule verwiesen werden soll, revoltieren die Schüler. Sie nehmen die Philosophielehrerin, den Mathelehrer und den Direktor als Geiseln, damit der Verweis rückgängig gemacht wird.

„Ich hatte praktisch noch nie in einem Komikerfilm gespielt. Es ist schwierig ernst zu bleiben bei Michel Galabru und Darry Cowl.“

Komische Rollen spielte Claude Jade selten, obgleich ihre erste durchgehende Serienrolle Rose in „La Prunelle“ einige komische Auftritte hatte. Auch in ihrer Serienhauptrolle Sylvie in „Les oiseaux rares“ bewies sie mit vielen gelungenen komödiantischen Nummern ihr Talent als Komikerin, ob den Spanischlehrer Paul kokett verunsichernd, sich mit den Schwester kabbelnd, das Pferd entführend, die Mama wegen eines neuen Hutes verspottend, den Papa mit Weinen erweichend und mit Sturheit rasend machend.
In dramatischen Komödien zeigte sie immer wieder Schnellfeuergewehrtempo – als Helena in Avertys „Sommernachtstraum“, als Manette in „Mein Onkel Benjamin“ und auch als Christine Doinel in Truffauts „Tisch und Bett“.
1972 hatte sie die resolute Lucrezia in der Machiavelli-Verfilmung „La Mandragore“ in einem rasanten Tempo und einer italienischen Melodie serviert, die der Loren in ihren Komödienrollen ähnelte, dann war sie 1975 die mannstolle Patricia in Didier Kaminkas Anarcho-Farce „Trop c’est trop“.
In den Ulkfilmen der ausgehenden 70er und beginnenden 80er Jahre um Legionäre oder Gendarmen waren Frauen meist hübsches Beiwerk und es genügte oft, sie mit Fotomodellen zu besetzen.
Für „Le bahut va craquer“ bedurfte es einer Schauspielerin neben den Komikern: In Michel Nervals Film spielt Claude Jade die Philosophielehrerin Mademoiselle Ferrand, die gemeinsam mit  Schuldirektor (Michel Galabru) und Mathematiklehrer (Darry Cowl) von revoltierenden Schülern eingesperrt wird.

Anlass für den Aufstand ist die Entscheidung, die schwangere Schülerin Béatrice (Fanny Meunier), ein Mädchen aus der Arbeiterklasse, von der Schule zu verweisen, während der gleichaltrige Kindsvater Bertrand (Christophe Guybet), ein Sohn reicher Eltern, bleiben darf.
Fanny Meunier machte kurz darauf unter dem Namen Fanny Bastien Karriere: auf die Titelrolle in der Abenteuerserie „Dorothée, die Seiltänzerin“ (1983) folgten Hauptrollen in „Ein Mann um die 50“ und „Das Attentat“ (Urgence). Als Fixerin und Gérard Jugnots Flamme in „Pinot – Gendarm und Herzensbrecher“ wurde sie 1985 für den Nachwuchs-César nominiert und für „Engel aus Staub“ erhielt sie 1988 den Romy-Schneider-Preis. Christophe Guybet, der bereits bei der finalen Filmhochzeit seines Vaters Henri Guybet mit Claude Jade in „Ein Pauker zum Verlieben“ dabei war, wurde wie sein Vater Schauspieler und feierte Erfolge mit dem Solostück „Pourquoi pas ce soir“, das von 2001 bis 2010 allein 800 Mal gespielt wurde.

Michel Galabru, Darry Cowl und Claude Jade in „Le bahut va craquer“

In Pierre Tchernias „Jeudi Cinema“ präsentiert Claude Jade „Le bahut va craquer“

In der Sendung „Jeudi cinéma“, berichtet Claude Jade von Nervals Film. Nach einem vielversprechenden Ausschnitt, einem Disput zwischen ihr und Darry Cowl, glänzen die Augen des weiteren Gastes Patrick Dewaere.
Doch die Umsetzung des sozialpolitisch verheißungsvollen Themas reicht nicht an den Erfolg der 1973 entstandenen Komödie „Home sweet Home – Trautes Heim“, die mit ihrer Revolte wie „Le bahut“ an Jean Vigos „Zéro de conduite“ (Bertragen ungenügend) erinnernt.
„Es ist eine völlig neue Erfahrung. Ich hatte praktisch noch nie in einem Komikerfilm gespielt“, erklärt Claude Jade dem Gastgeber Pierre Tchernia und freut sich, mit im Komikerfach etablierten Kollegen gearbeitet zu haben: „Es war eine wunderbare Lektion. Es ist wirklich schwer, ernst zu bleiben bei Michel Galabru und Darry Cowl. Und es ist ein gewaltiger Unterschied nach einem Film wie ,Lenin in Paris‘.“

Claude Jade und Patrick Dewaere beim Quiz mit Studiokandidaten in „Jeudi Cinema“. Sie stellt „Le bahut va craquer“ vor, er „Plein sud“.

 

Überraschungsgast: Henri Guybet begrüßt Claude Jade.

links: Michel Galabru, Claude Jade, Darry Cowl im Arrest, rechts: Charlotte Walior als Muriel  und Claude Jade als Mademoiselle Ferrand in „Le bahut va craquer“

Michel Nerval, Yves Matrat, Charlotte Walior und Claude Jade präsentieren „Le bahut va craquer“ im Mai 1981 im „Magazine club“

Claude Jade enfloh so im Januar und Februar 1981 Moskau und dem russischen Winter für die Drehzeit nach Paris und kam auch für die Fernsehauftritte nach Frankreich, wo sie im Anschluss die Doppelrolle in „Lise und Laura“ spielte.
Claude Jade bewarb den Film im Mai 1981 auch in „Magazine club“ gemeinsam mit Regisseur Michel Nerval, ihrer jugendlichen Filmpartnerin Charlotte Walior und dem am Ende des Films mit seiner Rockband „Factory“ auftretenden Musiker Yves Matrat.
Für Michel Nerval (1945-2009) war es nach der Whiskyschmuggler-Klamotte „Les Borsalini“ mit Jean Lefèbvre, Darry Cowl und Robert Castel sein zweiter Film.

Michel Nerval: „Ich wollte Claude Jade, sonst die junge Frau aus dem 16. Arrondissement, zart und süß, wollte ich eine Gegenbesetzung geben“.

Claude Jade und Charlotte Walior, die im Film als Lehrerin und Schülerin zweimal aneinandergeraten, wirken hier wie zwei gut gelaunte Freundinnen.
Als Matrat Frivolitäten von sich gibt, pufft ihn Charlotte in den Rücken und Claude lenkt das Thema auf seine Band. Claude Jade beschreibt ihre Rolle als unangenehm und mürrisch, eine, die Kants „Kritik der reinen Vernunft“ vermitteln will. Ob das lustig sei, fragt Moderator Jacques Vadoux: „Ja, das ist lustig, wenn Sie so wollen“, lacht Claude Jade, „vor allem, wenn Ihnen die Schüler nicht zuhören.“
Nerval albert um die Bedeutung des Wortes Bahut, das sowohl eine Truhe sein kann als auch der umgangssprachliche „Brummi“ für einen Lastwagen (camion) oder eben auch „Penne“ für ein Lyzeum.
Über dieses Wortspiel kann Nerval nun mit gespielter Seriosität betonen, dass sein „Bahut“ im Gegensatz zu Marguerite Duras‘ radikalem Hörfilm-Essay „Camion“ ein richtig finanzierter Film sei. [Anm.: Für seine Mitwirkung in „Camion“ betrug Gérard Depardieus Gage einige Flaschen Wein.] Seine Star-Besetzung habe ihn dafür bezahlt, in seinem Film spielen zu dürfen. „Es war sehr teuer“, fügt Claude Jade lachend hinzu.

Für Charlotte war „Le Bahut“ der zweite Film nach Just Jaeckins „Girls“. Anschließend folgte Roger Vadims „Suprise Party“

Claude Jades Filmpartner Darry Cowl ist nicht für romantische Rollen bekannt: In Philippe Bouvards „Passez donc me voir“ (11. Mai 1981) glaubt Moderator Bouvard, dass er im Script gelesen habe, eine Schülerin würde sich in ihren Lehrer verlieben. Nein, korrigiert Cowl, aber er küsse Claude Jade. Bouvard: „Nicht schlecht, Claude Jade.“ Die Flirtversuche des Mathelehrers wehrt Mademoiselle immer wieder ab, doch beim Konzert der Gruppe „Factory“ gibt sie ihm immerhin bei der Aufforderung zum Tanz nach. „Ein Abenteuer  voller Überraschungen“, spekuliert ein Artikel zum Film im Magazin „À nous deux“.

Im lebhaften Spiel seiner Stars – neben Galabru, Darry Cowl und Claude Jade sind Dany Carrel als Béas Mutter, Robert Castel als Englischlehrer und Henri Guybet als widerwärtiger Gegenentwurf  zu seinem früheren „Pion“ dabei – durchaus gelungen, ist „Le bahut va craquer“ als ein Film, der eine Revolte der Jugend schildern will, in seinen Konzessionen an den Zeitgeist missglückt.
„Es sind die vielen Klischees, die den Film als Trugbild untergehen lassen und die Wasserpistole entschärfen, die soeben noch geschwungen wurde“, urteilt „Image et son“. So lange sich alles auf die schwangere Béa mit ihrer Mutter und auf die Schule beschränkt, in der sich Claude Jade mit den Schülern Muriel (Charlotte Walior) und Yoko (Komiker Chee „Tchee“ Meas in seinem Filmdebüt) anlegt, stimmt die Richtung.

Doch der Film schweift oft ab in Alltagserlebnisse der Schüler, die gern die nackte Schwester eines Kameraden beim Baden beobachten, Kondome kaufen oder sich zum Strippoker verabreden, wo dann immerhin die Jungs alle nackt sind.
Gelungene Bezüge zur Auffassungsgabe der Jugendlichen hat der Film, wenn Mademoiselle Ferrand sich beklagt, die Schüler würden Comics den Philosophen vorziehen und Gilles (Vincent Vallier) ankündigt, die Revolutionäre würden die Bourgeoisie vergewaltigen, mit einem Messer zwischen den Zähnen. Vor allem, wenn sie so schön ist, fügt Gilles hinzu. Als sie ihm eine Ohrfeige verpassen will, wird ihre Hand knapp ausgebremst. Sie darf das verriegelte Zimmer verlassen, um die Schüler im Speisesaal zu bedienen und schleudert die Teller scheppernd auf die Tische. Nun ist es Muriel, die ihre Lehrerin maßregeln darf. Als sich die unfreiwillige Kantinenfrau einen Klaps auf den Hintern gefallen lassen muss, wird auch ihr nächster Versuch einer Ohrfeige wird gestoppt.  Das hat sie nun davon, dass sie sich über das mangelhafte Wissen und fehlende Disziplin im lästigen Philosophieunterricht beklagt hat. Statt für Kant, so eine der Nebenbotschaften, interessieren sich die Revolutionäre des Jahres 1981 eher fürs Knutschen und fürs Feiern.
Die letzte Viertelstunde verlagert sich auf ein Konzert im Schulhof, das am Ende Lehrer und Schüler vereint tanzen lässt. Das ist nach sich aufgelösten Konflikten versöhnlich – die Arroganz der Bildungselite gegenüber der Banlieue wurde unterhaltsam angerissen. Weniger Kompromiss an den Geschmack des an weit oberflächlichere Schülerkomödien gewöhnten Publikums hätte den Film, der gewissen nostalgischen Charme hat, seine Zeit überdauern lassen können.