André Héraud, Claude Jades Schauspiellehrer am Konservatorium von Dijon, ist am Karfreitag im Alter von 88 Jahren gestorben. Der Schauspieler lebte für das Konservatorium und seine Comédie de Bourgogne.
Ihre erste Begegnung mit Héraud hat Claude Anfang 1963. Hatte sie als Zehnjährige für Gérard Philipe als Erzähler von Prokofjews „Peter und der Wolf“ geschwärmt, lauschte sie nun der Rezitation André Hérauds des musikalischen Märchens bei den Jeunesses Musicales am Konservatorium von Dijon.
Bei den Aufführungen unter der Leitung des Komponisten und Konservatoriumsdirektors André Ameller folgte sie der schönen tiefen Stimme Hérauds auch in Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“, zu der er den Teufel sprach.
Im September 1963 bewirbt sich die vierzehnjährige Claude am Conservatoire d’Art Dramatique. Bei der Aufnahmeprüfung sehen André Héraud und die Kommission darüber hinweg, dass Claude noch um einige Wochen zu jung ist. Héraud hat ihr zwei Aufgaben für das Vorsprechen gegeben: Mit Paul Verlaines „Après trois ans“ und Jean de La Fontaines Fabel „Le Coq et le renard“ beginnt vor einer Jury von sechs Personen ihr Marsch in den Fußstapfen der Theater- und Kinolegende Edwige Feuillère, die 1928 an eben jenem Konservatorium den Prix de comédie erhielt. Mit Verlaines Wehmutsgedicht und der Fabel um den Hahn, der den betrügerischen Friedensboten Fuchs betrügt, wird sie angenommen und beginnt am 15. September gut behütet die Ausbildung.

Jacques Frantz
Mit ihr aufgenommen wird auch der ein halbes Jahr ältere Jacques Poix, der später unter dem Namen Jacques Frantz bekannt wird: neben seinen Theater- und Filmrollen, im Kino unter anderem bei Gérard Oury (“La Carapate”), de Broca (“Tendre Poulet”) und Yves Robert (“Le jumeau”) vor allem als die französische Stimme Robert De Niros. Wenn Jacques Frantz daneben auch häufig Mel Gibson, Steve Martin oder Nick Nolte spricht, schwingt auch die Präzision seines Lehrers André Héraud mit. Weitere Schüler Hérauds sind ebenfalls Synchronsprecher – Bernard Lanneau für Kevin Costner, Dennis Quaid, Alec Baldwin und Michael Keaton und Damien Witecka für Leonardo DiCaprio.
Hérauds bekannteste Schülerin neben Claude Jade, die rothaarige Marlène Jobert, hat das Konservatorium zwei Jahre zuvor in Richtung Paris verlassen, als der Schauspiellehrer an die kleine Claude herantritt und ihr die Agnès in Molières „Schule der Frauen“ anbietet. Sie bekommt die Chance, bei der Comédie de Bourgogne und somit am Theater von Dijon zu spielen: vierzig Vorstellungen in drei Monaten.
Die Proben beginnen kurz vor Weihnachten 1963. André Héraud selbst spielt Agnès’ Vormund Arnolphe, der neunzehnjährige Michel Huvet, der später Journalist wird und Claude immer wieder begegnen wird, gibt ihren Liebhaber Horace.
Claude, im gleichen Alter wie die Rolle, beginnt ihre Karriere als „unbefangen Naive“ mit der berühmten Eröffnungsszene, in der Agnès ihrem Vormund Arnolphe auf die Frage nach Neuigkeiten brav antwortet „Die kleine Katze ist tot“ und dann offenherzig von der ersten Begegnung mit Horace schwärmt: „Ich saß auf dem Balkon bei meiner Näherei, da kam ein junger Mann vorbei…“.
Neben Héraud und Michel Huvet spielen Jacky Ponthier als Chrsyalde, Jacques Raviot als Alain, Catherine Lemaire als Georgette, Jean-Paul Robinchon als Oronte und Jean Creux als Notar.
Am 27. Mai 1964 spielt sie die Agnès am Théâtre de Dijon.
Das Herzrasen bei der Ankündigung „Mesdames, Messieurs, das Stück beginnt in zehn Minuten“ begeistert die Debütantin; auch, dass ihr viel beschäftigter Cousin und Pate Guy Jorré, der als Fernsehregisseur arbeitet, aus Paris anreist, um dieses wichtige Ereignis mitzuerleben. Zwei Tage später erscheint in den „Dépêches“ eine Kritik von Bernard Laissus: „Eine exzellente Entdeckung: Claude Jorré.“
Sie geht mit dem Stück auf Tournee durch das gesamte Departement Côte-d’Or : Châtillon-sur-Seine, Montbard, Genlis, Saint-Jean-de-Losne und Laumes.

Claude Jade, als sie noch Claude Jorré hieß, mit Michel Huvet (Horace) in „Die Schule der Frauen“
Zum Abschluss des Konservatoriums empfiehlt Héraud der jungen Claude Giraudoux’ „Ondine“ und Marivaux’ „Le Dénouement imprévu“. Sie findet vor allem an Marivaux’ Mlle Argante Gefallen, dem Mädchen, das Verrücktheit simuliert, um der vom Vater arrangierten Eheschließung zu entgehen. Sie erhält den ersten Preis, den „Prix de Comédie“. André Héraud, dem die Kurse Dussane-Chaduc in Paris kennt, empfiehlt sie an Béatrix Dussane. Auf nach Paris!

Mai 1964 an der Comédie de Bourgogne in Dijon: André Héraud als Arnolphe und Claude Jorré als Agnès – hier mit Catherine Lemaire als Georgette und Jacques Raviot als Alain – in „Die Schule der Frauen“
Héraud, der Claude mit Marivaux und Molière vertraut machte und ihren Ton mitprägte, verfolgt einige Zeit die Karriere seiner erfolgreichen Schülerin. 1967 machen seine zwei berühmten Zöglinge gleichzeitig Karriere an Pariser Bühnen: Marlène Jobert mit Peter Shaffers „Komödie im Dunkeln“ und Claude Jade mit Pirandellos „Heinrich IV“. Héraud sieht Claude in der Rolle der Frida in der Premiere; einen Tag, nachdem François Truffaut in der Generalprobe saß – und André Hérauds Schülerin für „Baisers volés“ entdeckt hatte.
Einige ehemalige Schüler André Hérauds: Jocelyne Chartuss, Emmanuel Collin-Walzyck, Marguerite Colon, Annie Didion, Jacques Frantz, Jean-Claude Frissung, Marie-Laure Fuet. Michel Huvet. Claude Jade, Marlène Jobert, Sylvie Lanaud, Bernard Lanneau, Catherine Lemaire, Nadine Morlier, Jacky Ponthier, Rose Raguel, Jacques Raviot, Jean-Paul Robichon, Damien Witecka …
Link: Michel Huvet, der Horace in „Schule der Frauen“, wurde Journalist und schrieb bereits 1969 für „le Bien Public“ einen Artikel über Claude Jade und ihre Arbeit zu „Mein Onkel Benjamin“. Er hatte 1964 den Prix de comédie erhalten und blieb bis 1986 Mitglied der Comédie de Bourgogne.
Hier ein Link zu Michel Huvets Nachruf auf André Héraud:
http://michelhuvetdixit.blogspot.de/2016/03/andre-heraud-in-memoriam.html