Le temoin (1969)

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Seit über 40 Jahren lief „Le témoin“ (Der Zeuge) nicht mehr im deutschen Fernsehen. Am 24. August 1973 hatte der romantische Thriller seine Erstausstrahlung im Ersten Programm des DDR-Fernsehens.
Im Bereich Filmographie heute eine Erinnerung an den belgisch-französischen Film, in dem Claude Jade als Mordzeugin dem zwielichtigen Gérard Barray verfällt:  Le témoin – Der Zeuge

Home sweet Home

„Protest ist nicht das Privileg der Jugend“ (Jo Röpcke, Filmkritiker, 1928-2007)

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Trautes Heim (Home sweet Home / La fête à Jules)
Belgien/Frankreich 1973, R: Benoît Lamy
D: Claude Jade (Claire, Pflegerin), Jacques Perrin (Jacques, Sozialhelfer), Marcel Josz (Jules), Ann Petersen (Yvonne, Direktorin), Jacques Lippe (Polizeichef), Jane Meuris (Flore), Elise Mertens (Anna), Dynma Apelmans (Marguerite) u.v.a.

inzwischen in der Filmographie: Home sweet Home (Trautes Heim)

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Einer ihrer noch immer im Kino aufgeführten Filme ist „Home sweet Home“, der zuletzt im Januar 2014 in Brüssel lief; davor 2007 in Paris („Hommage à Claude Jade“) und in Deutschland im selben Jahr auf dem Filmfest Hamburg. Das deutsche Fernsehen vernachlässigt das Werk dafür seit mehr als zwanzig Jahren:  In der Reihe „der besondere Film“ hatte es 1975 als „Trautes Heim“ seine Erstausstrahlung im ZDF und lief zuletzt 1991 auf Pro Sieben.

Claude Jade, Marcel Josz "Home sweet Home"

Claude Jade, Marcel Josz „Home sweet Home“

Eine flamboyante Ohrfeige ins Gesicht zahlreicher filmische Versuche, alte Menschen in ihrem sozialen Dilemma zu zeigen, ist diese Komödie um einen Aufstand der Bewohner eines Pflegeheims, zu dessen Personal Claude Jade und Jacques Perrin gehören.

Claude Jade, Jacques Perrin, Jane Meuris, Marcel Josz, Home sweet Home, La fete à Jules, Trautes Heim, Benoît Lamy, 1973, film belgeGefeiert auf den Filmfestivals in Budepest (Preis für beste Regie), Moskau (Spezialpreis der Jury), Cannes, Montreal und Teheran, heimste „Home sweet Home“ weltweit stolze 14 Auszeichnungen ein.
Das Lexikon des Internationalen Films resümiert: „Alte Leute inszenieren eine Revolution gegen ihre autoritäre und pedantische Heimleiterin. Ein Unterhaltung und Sozialkritik geschickt verbindendes Erstlingswerk, ebenso ironisch und heiter im Stil wie originell im Stoff.“

„Traité de savoir-vivre à l’usage des vieilles générations“ lautet der Arbeitstitel des Werks, das Philippe Monnier Claude Jade 1972 überreicht. Monnier war Regieassistent bei „Mon oncle Benjamin“ und hatte bereits einen Film mit ihr als Vampir Clarimonde, „La mort amoureuse“, geplant, der leider nie realisiert wurde. Monnier berichtet, dass Jacques Perrin produzieren wird. Claude Jade sagt zu und wohnt im Herbst 1972 in Brüssel. Neben ihr und Perrin als einzige Stars des Films agieren Ann Petersen als Heimleiterin und Marcel Josz als Heiminsasse Jules. Das Gros seiner betagten Darsteller, allesamt Laien, findet der 27jährige Regiedebütant Lamy beim Tanztee. Deren Freude und Begeisterung bezeichnet Claude Jade später als inspirierend und ansteckend.

Jacques Perrin, Claude Jade "Home sweet Home"

Jacques Perrin, Claude Jade „Home sweet Home“

Jacques_Perrin_Claude_Jade_Home_sweet_Home„Ich bin froh, in meinem neuen Film ein gehässiges Mädchen spielen zu dürfen“, erklärt Claude Jade damals. So einfach ist das nicht, denn ab der Hälfte des Films wandelt sich Pflegerin Claire. Doch zuvor darf sie sich tatsächlich unbeliebt machen. „Ich hasse diese Pflegerin“, grummelt Heimbewohner Jules, gespielt von Marcel Josz, Jahrgang 1899. Da legt sie gern nach: Im Zuge eines Hungerstreiks für den vom Dessert ausgeschlossenen Jules durchschreitet Claire den Speisesaal wie ein Wachsoldat und droht den renitenten Heiminsassen: „Wenn Sie Ihr Mousse nicht essen, verbiete ich Ihnen, die Plätze zu verlassen!“ Hernach denunziert sie den von Jacques Perrin gespielten Sozialhelfer, der daraufhin gefeuert wird. Geübt im Anschwärzen anderer, legt sie letztendlich mit eben dieser Methode der üblen Heimleiterin das Handwerk und kann nun Jacques, für den sie ein wenig entflammt ist, zurückholen.

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Claire weiß um die Mechanismen im Altersheim und hat sich ihnen bisher untergeordnet. Claude Jade spielt die Reaktionen auf die absurden Forderungen der Heimleiterin subtil – in einer diskreten Mischung aus Skepsis und gewisser Bewunderung für dieses Durchsetzungsvermögen. Dass auch Verachtung für die herrische Direktorin mitschwingt, deutet sie dabei ebenso an wie das Unvermögen, gegen diese Regel aufzubegehren.

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Claude Jades Rolle, die den Film eröffnet und ihn auch als Erzählerin beendet, ist in ihrer Ambivalenz die einzige Figur, die sich verändert; nicht so sehr durch ihr Handeln, das sich immer aus ihrem jeweiligen Standpunkt, ihrer Entwicklung, erklärt. Vielmehr ist ihre Claire Beobachterin der Vorkommnisse in diesem so obskuren wie dokumentarisch anmutenden „St. Marguerite“.

Claude Jade in "Home sweet Home"

Claude Jade in „Home sweet Home“

2005 ist der Film in Belgien bei melimedias als DVD mit reichlich Bonusmaterial, u.a. Interviews mit Benoît Lamy, Claude Jade und Jacques Perrin, erschienen. Sprache: Französisch, UT: flämisch.

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Links:
Home sweet Home (Trautes Heim)
Jacques Perrin

Kita no misaki

Claude Jade, Go Kato 北の岬

Claude Jade, Go Kato 北の岬

Einer ihrer am seltensten gezeigte Filme ist „Kita no misaki“ ( 北の岬 / Le cap du nord / Das Nordkap ) von Kei Kumai ( 熊井 啓 ), den Claude Jade 1975 gedreht hat. Er lief zuletzt 2007 in Tokio und ist bisher noch nicht auf DVD erschienen.

Go Kato und Claude Jade

Go Kato und Claude Jade

Kita_no_misaki_Cap_du_nord_Claude_Jade_Go_KatoDa sie in Japan keine Unbekannte ist, fällt die Wahl der Produktionsfirma Toho bei der Suche nach einer französischen Schauspielerin in einem japanischen Film auf Claude Jade. Sie wird eine Schweizer Missionarin spielen und der Film die Geschichte ihrer Reise und einer unmöglichen Liebe erzählen. Am 25. August 1975 reist Claude Jade nach Japan. So europäisch ihr Tokio vorkommt – an den Fassaden prangen Poster von Alain Delon und die Japanerinnen kleiden sich nach der neuesten westlichen Mode – so überraschender ist die erste Lüge, zu der ihr die Produktionsfirma auf der ersten Pressekonferenz zum Film rät. Claude Jade, die eine Nonne spielt, muss behaupten, sie sei ledig. Kumai überlässt nichts dem Zufall. Dennoch verursacht Claude Jade bei der Konferenz einen winzigen Skandal. In eine Robe von Yves Saint-Laurent gekleidet, trägt sie passende Sandalen desselben Machers. Doch in Japan ist es 1975 unerhört, als Frau einen Blick auf nackte Füße zu gewähren – schon gar nicht bei einer Pressekonferenz!

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Kita_No_Misaki_Le_Cap_du_Nord_Claude_JadeClaude  Jade dreht in Tokio, Yokohama, Kyoto, Singapur, Bangkok, in Wakkanai auf Hokkaido und in Skri Lanka.  Für die Arbeit dort wohnt sie in Colombo und wird mit einem Militärflugzeug nach Anuradhapura geflogen. Dort dreht Kei Kumai eine Traumsequenz – die einzige Szene, in der Marie-Thérèse nicht ihre Nonnentracht trägt. In diesem Traum in einer Kulisse von Ruinen fliegt ihr offenes Haar im Wind und die Liebe zum japanischen Ingenieur Mitsuo (Go Kato) scheint möglich.
Die einzigen Zuschauer am Set sind die zahlreichen Affen, die die Geisterstadt bevölkern.

Parallel zu „Kita no misaki“ dreht sie zwei Filme in Frankreich. Als die Arbeit in Japan fortgesetzt wird, ist Claude Jade schwanger. Davon darf die Presse, der sie als „unverheiratet“ vorgestellt wurde, nichts erfahren.  Als ihr Ehemann Bernard Coste sie für einige Wochen in Tokio besucht, muss sie ihn als ihren Privatsekretär ausgeben. Ganz zu schweigen davon, dass eine als ledig geltende Schwangere eine Nonne spielt! Claude Jade muss im Japan der 70er ihre „glücklichen Umstände“ kaschieren. Die Kostümbildnerin schneidert die schwarze Robe so um, dass die Veränderung der Silhouette nicht wahrnehmbar ist.

Françoise Guernier, Claude Jade, Go Kato

Françoise Guernier, Claude Jade, Go Kato

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Claude Jade und Go Kato „Kita no misaki“

Claude Jade in Japan

Claude Jade in Japan

Aus den sonnigen Gefilden des ersten Teils geht es in den verschneiten Norden Japans. Die frostigen Temperaturen auf der weißen Insel setzten der Crew zu, einige Mitglieder erkranken. Und Claude fröstelt es ein wenig in jener Robe, unter der sie in Sri Lanka schwitzte. Als Schwangere will sie sich keinem Risiko aussetzen und folgt einer Idee Bernards. Sie trägt unter ihrem Kleid Lagen von Zeitungspapier, so dass die Kälte nicht eindringen kann. Und über dem Ganzen kreist ein Helikopter, der den Schnee aufwirbelt. Dennoch bereitet der Papierpanzer Probleme beim Ton. Als Go Kato auf sie zuläuft und sie in seine Arme presst, rascheln die Zeitungen so stark über dem Dialog, dass die Szene nachsynchronisiert werden muss.

北の岬 熊井 啓 クロード・ジャド 加藤 剛 Kita No Misaki Kei Kumai Claude Jade Go Kato

北の岬 熊井 啓 クロード・ジャド 加藤 剛
Kita No Misaki Kei Kumai Claude Jade Go Kato

Als Claude Jade im Sommer 1976 zur Premiere von „Kita no misaki“ nach Tokio reisen will, verbietet es die Produktion Toho. Ihre Schwangerschaft lässt sich nun nicht mehr leugnen – und das sei ein unmöglicher Zustand, wo doch die Presse Japans seit dem ersten Interview zu Drehbeginn im Glauben ist, sie sei unverheiratet!

In Frankreich keine Zensur der Schwangerschaft: Claude Jade im Sommer 1976

In Frankreich keine Zensur der Schwangerschaft: Claude Jade im Sommer 1976

Claire Duhamel 1925-2014

Claude Jade, Daniel Ceccaldi, Claire Duhamel: Baisers volés

Claude Jade, Daniel Ceccaldi, Claire Duhamel: Baisers volés

Am 7. Februar 2014 verstarb die Schauspielerin Claire Duhamel, Filmliebhabern in aller Welt vertraut als die Maman von Claude Jade – und Schwiegermutter von Antoine Doinel – in François Truffauts „Baisers volés“ und „Domicile conjugal“.

Duhamel, Ceccaldi, Jade: Domicile conjugal

Duhamel, Ceccaldi, Jade: Domicile conjugal

Als 1968 die Eltern Christine Darbons in „Baisers volés“ besetzt werden müssen, wählt Truffaut Daniel Ceccaldi und Claire Duhamel. Claude Jade: „François sagte, daß er Mädchen mit netten Eltern gern mochte. Aus diesem Grund sind Antoine Doinels Schwiegereltern so sympathisch.“

Claire Duhamel wird zu Beginn von „Baisers volés“ zur Botschafterin eines politischen Truffaut in einem unpolitischen und aus der Zeit gefallenen Film. Fast beiläufig spricht sie aus, was Truffaut zu jener Zeit in erster Linie beschäftigt und einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung des Films hat: seinen Kampf gegen die Entlassung Henri Langlois‘ als Direktor der Cinémathèque Française. Während sie ihm das Abendessen serviert, erklärt sie Antoine, Christine habe den Unterricht am Konservatorium aus Protest gegen den neuen Direktor boykottiert, weil sie lieber den alten behalten hätte.

Claire Duhamel, Claude Jades Maman in "Baisers volés"

Claire Duhamel, Claude Jades Maman in „Baisers volés“

Den zweiten ihrer Auftritte  hat die Theaterschauspielerin in einer echten Bühnenvorstellung. Madame Darbon sitzt am Schreibtisch im Büro ihrer Autowerkstatt. Den Raum durchschreitend, berichtet Antoine ihr von seiner Beschattung eines Kindermädchens, Christine und ihr Vater kommen hinzu und der Raum wird endgültig zur Theaterbühne: Jede der Figuren weicht nun Monsieur Darbon aus, der aufgeregt die Adresse eines Kunden sucht. So bleibt Duhamel auf Zelluloid auch als Dame des Theaters in Erinnerung.

Claude Jade, Daniel Ceccaldi und Claire Duhamel in "Baisers volés"

Claude Jade, Daniel Ceccaldi und Claire Duhamel in „Baisers volés“

 

Claude Jade, Claire Duhamel, Daniel Ceccaldi, Jean-Pierre Léaud

Eine ihrer Szenen in „Baisers volés“ verdankt Claire Duhamel dem Improvisationstalent Truffauts: „Ich erinnere mich daran, dass ich eine Szene nach Maßgabe der Filmkulisse improvisiert habe. Das Haus von Christines Eltern besaß zwei Ausgänge. Ich war sehr glücklich darüber, da ich hier etwas tun konnte, was ich vorher nicht gewagt hätte. Die Situation stellte sich tatsächlich der Psychologie der Figuren entgegen. Man sah Antoine, wie er bei Christines Eltern ankam; die Mutter sagte an der Tür, dass Christine weggegangen sei, bestand jedoch darauf, dass er hereinkam. Als sie ihn überredet hat, wirft Claire Duhamel einen Blick zur Seite. Plötzlich sah man auf der rechten Seite des Bildes, wie sich die Kellertüre öffnete und Claude Jade herauskam, die sich unter den Fenstern vorbeischlich. Diese rätselhafte Szene sollte zu verstehen geben, dass es zwischen Mutter und Tochter eine Komplizenschaft gab und Claude Jade ein Doppelleben führte.“

Claude Jade, Claire Duhamel, Daniel Ceccaldi, Jean-Pierre Léaud: Domicile conjugal

Claude Jade, Claire Duhamel, Daniel Ceccaldi, Jean-Pierre Léaud: Domicile conjugal

Als Claire Duhamel – inzwischen brünett – zwei Jahre später ihren Part in „Domicile conjugal“ wiederholt, hat sie sich bereits von ihrem Beruf als Schauspielerin verabschiedet und wurde Administratorin des Théâtre des Nations und bald darauf Kulturattachée in Chile. Ihr strahlendes Lächeln im Universum Truffauts bleibt im Gedächtnis des Kinos bestehen.

Christine (Claude Jade) entschuldigt sich bei Maman (Claire Duhamel). Sie hat vergessen, dass letzte Woche Muttertag war. Antoine weiß: "Also von allem anderen abgesehen; der Muttertag ist eine Erfindung der Nazis." Jean-Pierre Léaud, Claude Jade, Daniel Ceccaldi und Claire Duhamel in "Domicile conjugal".

Christine (Claude Jade) entschuldigt sich bei Maman (Claire Duhamel). Sie hat vergessen, dass letzte Woche Muttertag war. Antoine weiß: „Also von allem anderen abgesehen; der Muttertag ist eine Erfindung der Nazis.“ Jean-Pierre Léaud, Claude Jade, Daniel Ceccaldi und Claire Duhamel in „Domicile conjugal“.

Hommage à Claude Jade Berlin 8.10.2013

Hommage an Claude Jade Lichtblick Kino Berlin 2013

Hommage an Claude Jade Lichtblick Kino Berlin 2013

Am 8. Oktober 2013 wäre Claude Jade 65 geworden.
Das Lichtblick Kino in Berlin ehrt sie mit einer „Hommage an Claude Jade“.
„Chaque année, lorsque revient le mois d’octobre, un petit réchauffement se produit en moi dans la région du cœur: Ah, octobre, cela va être le birthday de Claude.“ (François Truffaut, 1982)

Hommage an Claude Jade im Lichtblick Kino

Hommage an Claude Jade im Lichtblick Kino