Le Radeau de la Meduse

Radeau de la meduse. Poster, affiche, iradj Azimi, avec Jean Yanne, Daniel Mesguich, Claude Jade, Rufus, Laurent TerzieffLE RADEAU DE LA MÉDUSE
F 1987-1990/1998
Regie: Iradj Azimi  Buch: Iradj Azimi  Kamera: Ricardo Aronovich, Walther Van den Ende, Pierre Dupouey  Musik: Carl Davis  Schnitt: Georges Klotz, Alexis Pezas  Ausstattung: Jacques Douy  Kostüme: Dominique Louis  Produzent: Iradj Azimi  Produktion: Utopia  EA: 15.07.1998
D: Jean Yanne (Chaumereys), Daniel Mesguich (Coudein), Alain Macé (Savigny), Claude Jade (Reine Schmaltz), Philippe Laudenbach (Julien Schmaltz), Rufus (Soldat mit Harmonica), Michel Baumann (Alexandre Corréard), Laurent Terzieff (Théodore Géricault), Victor Garrivier (Antoine Richefort), Jean Desailly (La Tullaye), Patrick Potot (Aspirant), Marie Matheron (die Blinde), Stéphanie Lanoux (Eliza Schmaltz), Laurence Hamelin (Marketenderin), Jean Le Mouel (Reynaud), Patrick Cheval (Senegalese), Raymond Kamvene (Chinese), Jérôme Anger (Daubigny), Bernard La Jarrige (Bonnefous), Claude Brosset (Kommandant der Parnajon), Jean-Bernard Guillard (Carlier), Jean-François Balmer (Napoleon), Laetitia Lacroix, Pascale de Boysson, Henri Cazes, Benjamin Jules Rosette, Sébastien Kéran, André Penvern, Nicolas Pignon, Benoît Brione, Tobias Engel u.a.

1816 startet die Fregatte „Meduse“ von Rochefort nach St. Louis, wo Colonel Julien Schmaltz seinen Posten als neuer Gouverneur des Senegals antreten soll. Der inkompetente Kommandant Chaumareys lässt das Schiff auf einer Sandbank auflaufen. Während sich der Gouverneur nebst Familie und einer Entourage in Rettungsboote begibt, verbleiben 147 Passagiere auf einem Floß, das aufs offene Meer hinaustreibt… Der 1987 begonnene Film wurde 1990 beendet und kam erst 1998 ins Kino.

Claude Jade bei Dreharbeiten zu "Qui sont mes juges?"

Claude Jade bei Dreharbeiten zu „Qui sont mes juges?“

Die Rückkehr nach langer Abwesenheit – auf Moskau folgten drei Jahre auf Zypern – bringt Claude Jade nach René Férets „L’homme qui n’était pas là“ zwei weitere Filmrollen ein, die in einem Fall gar nicht und im zweiten viel zu spät ins Kino kommen: 1987 spielt Claude Jade die verschwundene Frau eines Truck-Drivers in André Thiérys „Qui sont mes juges?“.  Ihr Partner und im Finale am Meer ihr heldenhafter Retter ist der als Schauspieler unerfahrene Rugby-Star Jean-Pierre Rives. Die erste und letzte Regiearbeit des Spezialeffekte-Mannes André Thiéry wird nie aufgeführt.

Ein weiterer 1987 begonnener Film, der fast ausschließlich auf dem Meer spielt, hat erst elf Jahre später seinen offiziellen Kinostart. Mit der Zusage, in einem ambitionierten Großprojekt des Iraners Iradj Azimi zu spielen, beginnen für Claude Jade die in ihrer Karriere längsten Dreharbeiten für einen Kinofilm.
Bereits 1969 ist der Kunststudent Azimi bei einem Besuch des Louvre von Théodore Géricaults Gemälde „Le radeau de la Méduse“ (Das Floß der Medusa) so beeindruckt, dass er die Tragödie verfilmen will. Hauptanliegen ist ihm die grauenhafte Selektierung der privilegierten Passagiere auf Rettungsboote und der Verdammten auf ein Floß. In den folgenden Jahren erntet er mit drei Filmen Kritikererfolge; 1987 buhlt er um Geldgeber für das aufwändige Projekt, das viele nicht sehr reizt: Azimi will nicht die Schiffbrüchigen zeigen. Ihm geht es um die Fabel, in der aus politisch-ideologischen Gründen unfähige Technokraten das Elend verantworten. Azimi bekommt endlich 40 Millionen Francs zusammen. Am 10. Juli beginnen in Gouadeloupe die Dreharbeiten zu „Le radeau de la Méduse“.

Jean Yanne, Claude Jade und Iradj Azimi bei Dreharbeiten

Jean Yanne, Claude Jade und Iradj Azimi bei Dreharbeiten

Die Tragödie beginnt im Sommer 1816. Die Engländer geben Senegal an Frankreich ab und Louis XVIII ernennt den Royalisten Julien Schmaltz zum neuen Gouverneur. Begleitet von seiner Frau Reine und Tochter Eliza sowie einer Besatzung aus Beamten, Soldaten und Seeleuten läuft die „Méduse“ in Rochefort aus – unter dem Komando des seit 25 Jahren nicht zur See gefahrenen Royalisten Chaumareys. Als dieser eine Route wählt, die selbst der Gouverneursgattin absurd erscheint, protestieren seine Untergebenen. Er suspendiert diese und ernennt den in der Schiffahrt unkundigen Zivilisten Richeford zum Steuermann. Die Fregatte läuft auf einer Sandbank auf. Während sich die privilegierten Passagiere in Schaluppen retten, wird für die Mannschaft ein Floß gezimmert, das zwanzig Tage auf offenem Meer treibt. Sturm, Hitze, Hunger, Durst, Kannibalismus – von den 147 Verdammten überleben nur fünf.

Claude Jade in "Le radeau de la Méduse"Azimi hatte 1969 das Gemälde gesehen und seitdem die Verfilmung geplant. Doch trotz der Kostüme ist es kein Historienfilm in naturalistischem Pomp, wie ihn das Französische Kino ansonsten präsentiert. Azimi orientiert sich am russischen Stummfilm, am Expressionismus Murnaus und der Kargheit Robert Bressons.  Das Königliche wird angeprangert und nicht gefeiert wie die Bourbon-Lilien vom Ehepaar Schmaltz. So erinnert auch der Auftritt von Claude Jade zu Beginn der Reise an eine Stummfilm-Diva, begleitet von der Stummfilm-Musik Carl Davis‘. Azimi ist das Dekor unwichtig, er widmet sich den Menschen und reduziert auf den humanistischen Aspekt.
Azimi meidet verlogenen Naturalismus des bereits von Truffaut angeprangerten Cinéma de Qualité und setzt auf selbstbewusste Theatralität, die von Jean Yanne, Daniel Mesguich, Rufus, Claude Jade und Philippe Laudenbach getragen wird. Der Film trägt in sich eine ständige Spannung zwischen der Lyrik seines Themas und der abgehobenen Trockenheit seiner Inszenierung, zwischen der Erhabenheit seiner Kulissen oder seiner Musik und der rigorosen Reinheit seiner Bilder. Aus dieser Dialektik entsteht die seltsame Schönheit des Films. Azimi weiß, dass das Kino die Kunst der Gegenwart und des Lebendigen ist, und verkennt nicht sein dokumentarisches Wesen.

Claude Jade, Philippe Laudenbach, Jean Yanne „Le radeau de la Méduse“

Die Besetzung des epischen Films ist solide und es sind Schauspieler, die Azimis Projekt vertrauen: Star des Films ist Jean Yanne, sein Gegenspieler als Leutnant Coudein ist Daniel Mesguich, der Xavier aus Truffauts „Liebe auf der Flucht“. Claude Jade und ihr Filmgatte Philippe Laudenbach, der Mörder aus Truffauts „Auf Liebe und Tod“, spielen das Gouverneurspaar Schmaltz und Alain Macé, der Héron aus Andrzej Wajdas „Dantons Tod“, den Arzt Savigny. Ebenfalls an Bord sind Rufus als Harmonika spielender Soldat und Victor Lanoux’ Tochter Stéphanie als Claude Jades Filmtochter.  Auf dem Festland agieren Laurent Terzieff, der in den letzten Einstellungen den Maler Géricault spielt, und Jean Desailly, der Ehebrecher aus Truffauts „Die süße Haut“, als hoher Vertreter der Anklage gegen Chaumereys. Nicht jeder aus der Besetzung bleibt dabei: Gérard Blain, der als fünfter aus der Besetzung ebenfalls mit Truffaut gedreht hatte und als Journalist Daubigny besetzt wurde, steigt wie Napoleon-Darsteller Wojciech Pszoniak nach der langen Verzögerung der Dreharbeiten aus.

Auch wenn Azimi Reine Schmaltz Momente von Empörung und Rührung zuschreibt, sorgt Claude Jade in ihrer als negativ und verwöhnt definierten Rolle der Privilegierten für ein wenig Humor in dem anonsten sehr ernsten Film. Ausgelassen genießt ihre Reine Schmaltz die Fahrt wie einen Ausflug und wenn sich ihr Gatte und der Kommandant darum reißen, sie an Bord zu bringen, begibt sie sich in die Arme Chaumareys‘. Als sie ihm nicht glauben will, dass er die Fahrt in zwölf Tagen bewältigen werde, entgegnet er, es ginge ihm um seine Ehre. Sie verspottet ihn. Doch als er eine zu umfahrende Insel von der Karte streicht, nur, weil er sie nicht kennt, bricht sie in schallendes Gelächter aus.

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Jean Yanne als Kommandant Hugues Duroy de Chaumareys und Claude Jade als Reine Schmaltz in „Le Radeau de la Méduse“

Claude Jade ist fasziniert von Jean Yanne. Sie beschreibt ihn als “erstaunlichen Schauspieler, der in seiner Bandbreite in der Lage ist, den rückständigen Bauern zu spielen und diese schäbigen Schweine mit ihren bürgerlichen Prinzipien.“ Sie erlebt ihn in den langen Wartezeiten als diskreten Menschen, der eine gewisse Distanz zu seiner Rolle und zu seinen Partnern hat, und als Mann mit Humor, der einen Satz geprägt hat: „Wir ‚schmaltzten’ für ein Konzert auf Stühlen in unkonfortablen Kostümen, in der Hoffnung, dass bald ein Assistent zu uns kommen würde. Jean zeigte kein Anzeichen von Ungeduld; die Absurdität der Situation brachte ihn zum Lachen. Als wir uns am nächsten Morgen in der Maske wiedertrafen, spottete er lässig: ‚Alors, prêts à schmaltzer?‘

Dass bis zum nächsten „prêts à schmaltzer“ auch einige Jahre vergehen könnten, war in diesen gemeinsamen Wartezeiten noch nicht abzusehen.

Claude Jade, Victor Garrivier, Jean Yanne, Daniel Mesguich, Michel Baumann

Wie bereits bei den Meeresaufnahmen zu Kei Kumais „Kita no misaki“ wartet der Kameramann immer wieder aus das beste Licht auf dem Ozean. Der Argentinier Ricardo Aronovich, dessen Werke oft mit Preisen überhäuft wurden und der gerade eine Nominierung für den bedeutenden Filmpreis David di Donatello erhalten hatte, achtet penibel auf jede sich auf dem Meer spiegelnde Wolke. So heißt es ausharren.
Während Claude Jade den aristokratisch blassen Teint bewahren und die Sonne meiden muss, genießen Ehemann Bernard und Sohn Pierre, damals gerade elf Jahre alt und in den Sommerferien vor dem Wechsel in die sechste Klasse,  ausgelassen das Bad im Meer.

Claude Jade während einer Drehpause in Gouadeloupe. Bernard und Pierre genossen ebenfalls die Strände.

Den Höhepunkt des Films inszeniert Azimi äußerst penibel. Deutlich orientiert am russischen Kino eines Sergej Eisenstein zeigt er einen über Bord rollenden Knopf von der Uniform des Kommandanten, den zu schweben scheinenden Schirm von Madame Schmaltz und wie in einer Schleife die immer wieder an der Kamera vorbeifahrende Claude Jade. Hatte sie einen Moment zuvor noch im Freudentaumel über an Bord geholten Tang lachend über das Deck getanzt, transportiert sie nun den Augenblick der Ohnmacht.

Doch sie scheint sich schnell zu fangen, als Richeford unter Trümmern hervorkriecht, um ihr den Schirm zu bringen. Leutnant Coudein stürzt dazwischen und drischt mit den Algen auf Richeford ein. Erst ein abgefeuerter Schuß aus der Pistole von Gouverneur Schmaltz unterbricht die Schläge. Sie nimmt ihren Schirm und nennt die beiden kopfschüttelnd „diese Wilden“. Als sie von ihrem Rettungsboot aus euphorisch dem Kommandanten zujubelt, fällt sie samt Sonnenschirm ins Wasser und kreischt albern, als ihr wieder in das Rettungsboot geholfen wird. Sie sitzt auch untätig neben Richeford, als dieser auf Geheiß des Kommandanten die Abschleppseile zum Floß kappt.

Als Azimi einige Szenen in Versailles dreht, kehrt Claude Jade nach Paris zurück. Pierre kommt gerade in die sechste Klasse und sie freut sich über die kurze Unterbrechung. Dass diese nach dem Hinwegfegen eines Hurrikans eineinhalb Jahre dauert, wird Azimi und seinen Komplizen zum Verhängnis. Der Dreh muss aussetzen: der Zyklon „Hugo“ hat den Nachbau der „Méduse“ zerstört.  Es folgen weitere Probleme, die den Film einen langen Schiffbruch erleiden lassen. Finanziers steigen aus und überlassen Azimi seinen Schulden. Der Sender France 2 fordert, den Film zu einem Mehrteiler umzuschneiden. Azimi verweigert die TV-Auswertung der 300minütigen Fassung und der Sender steigt ebenfalls aus.

Um die endgültige Aufführung seines Lebenswerks, das 1994 auf  Initiative Claude Lelouchs eine kleine Premiere im Quartier Latin erlebt, wird Azimi weitere sechs Jahre kämpfen. Am 7. Dezember 1997 besetzt Azimi mit vierzig Freunden, darunter neben Claude Jade und Jean Yanne auch der Pantomime Marcel Marceau, das Kulturministerium. Am 14. Dezember wiederholen sie die Protestaktion. Plötzlich schneidet sich Azimi vor versammelter Presse die Pulsadern auf. Er durchtrennt ein Ligament und wird ins Krankenhaus gebracht, wo er gerettet werden kann. Kulturministerin Catherine Trautman setzt sich nun für den Film ein, der im Sommer 1998 Einzug in die Kinosäle hält.

Auszug aus einem Brief Claude Jades vom 22. Januar 1998, in dem sie Bezug nimmt auf die Ereignisse vom 14. Dezember 1997 im Kulturministerium.

Auszug aus einem Brief Claude Jades vom 22. Januar 1998, in dem sie Bezug nimmt auf die Ereignisse vom 14. Dezember 1997 im Kulturministerium.

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Stéphanie Lanoux, Philippe Laudenbach, Jean Yanne, Claude Jade, Victor Garrivier

Claude Jade, Alain Macé, Philippe Laudenbach

Philippe Laudenbach, Claude Jade, Stéphanie Lanoux „Le radeau de la Méduse“

Jean Yanne (Duroy de Chaumareys), Claude Jade (Reine-Renée Schmaltz)

Victor Garrivier, Claude Jade, Jean Yanne, Philippe Laudennach, Stéphanie Lanoux

Victor Garrivier, Daniel Mesguich, Claude Jade, Stzéphanie Lanoux

Jean Yanne, Claude Jade, Philippe Laudenbach

Reine Schmaltz nimmt ein kurzes Bad. Unter den Rettenden: Laurence Hamelin als Marketenderin

 

Stéphanie Lanoux (Eliza Schmaltz), Claude Jade (Reine-Renée Schmaltz)

Claude Jade (Reine Schmaltz), Victor Garrivier (Antoine Richefort)

Claude Jade als Gouverneursfrau Reine-Renée Schmaltz in „Le radeau de la Méduse“

Jean Yanne, Victor Garrivier, Claude Jade, Sephanie Lanoux

Claude Jade (Reine-Renée Schmaltz), Alain Macé (Henri Savigny), Philippe Laudenbach (Julien-Désiré Schmaltz)

Claude Jade als Reine Schmaltz in „Le radeau de la Méduse“ von Iradj Azimi

Philippe Laudenbach (Julien Schmaltz); Claude Jade (Reine Schmaltz), Jean Yanne (Duroy de Chaumreys)

Claude Jade, Philippe Laudenbach, Jean Yanne „le radeau de la Méduse“

Claude Jade in „Le radeau de la Méduse“ von Iradj Azimi (1987-1990 / 1998)

Jean Yanne, Philippe Laudenbach, Claude Jade „le radeau de la Méduse“

Claude Jade in „Le radeau de la Méduse“

Claude Jade, Victor Garrivier, Jean Yanne, Daniel Mesguich, Michel Baumann

Claude Jade, Philippe Laudenbach, Stéphanie Lanoux, Jean Yanne

Victor Garrivier, Claude Jade, Jean Yanne, Philippe Laudenbach, Stéphanie Lanoux

Rufus, Victor Garrvivier, Jean Yanne, Philippe Laudenbach, Claude Jade, Stéphanie Lanoux, Jean Le Mouel, Alain Macé, Michel Baumann, Patrick Potot

 

6 Kommentare zu “Le Radeau de la Meduse

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