Der 1. Dezember 2006 ist ein Tag des Verlusts für alle, die Claude Jade liebten.
„François Truffaut l’insoumis“ (Alexandre Moix, 2014)
„Sie war die Inkarnation der Eleganz, der Einfachheit und des Charmes Frankreichs“, so Kulturminister Donnedieu de Vabres über Claude Jade: „Sie bleibt ein Vorbild für Generationen von Schauspielern, die an dieses ‚fichu métier‘ glauben.“ Véronique Cayla, vom Centre National de la Cinématographie, heute Präsidentin Arte, würdigte „eine große Schauspielerin, die diskrete Anmut der jungen Französin, eine Schauspielerin von sanftem Strahlen, die ihre Klarheit in ihrem Beruf immer intakt gehalten hat.“ Monate zuvor hatte sie ihre letzte Vorstellung als Célimène.
Heute eine Erinnerung an eine ihrer Auszeichnungen zwischen Prix de comédie 1966 und dem 1998 verliehenen Orden „Chevalier de la legion d’honneur“ an die Schauspielerin, deren Namen seit zehn Jahren eine Allée in Dijon trägt und der Alexandre Moix 2014 seinen Film „François Truffaut l’insoumis“ gewidmet hat.
„Ein Star ist geboren“, schreibt „Un Jour“, nachdem Claude Jade am 17. Dezember 1970 den „Triomphe Révélation de la Nuit du cinéma“ erhalten hat. Die Césars waren noch nicht von Georges Cravenne geschaffen, aber ein Kommité traf sich jedes Jahr, um Schauspielerpreise zu verleihen. Dieser Preis war ein wenig das Äquivalent zum heutigen César „Meilleur espoir“.
In „Un Jour“ schreibt Marie-Catherine Verneuilles: „Claude Jade, ein Star ist geboren. Sie ist bereits mehr als eine Hoffnung: Am 17. Dezember erhielt sie den „Triomphe-Révélation“ der XX. Nacht des Kinos. Das Jahr 1970 hat uns also, bevor es zu Ende ging, Recht gegeben, in Claude Jade eines der vielversprechendsten Lächeln und Talente in der der Schauspielwelt gesehen zu haben.“
Verneuilles beschreibt in ihrer Würdigung den Versuch, das Geheimnis Claude Jade zu ergründen:
„Wenn man Claude Jade zum ersten Mal begegnet, fällt einem als Erstes ihre natürliche Ausstrahlung auf. Ein sicheres Lächeln und klare, helle Augen, deren Grund man nicht genau kennt. Die Anmut, die Art, sich im einfachen Glück wohlzufühlen, und schließlich die Frische des Teints.
Sie wurde 1948 in einer Akademikerfamilie in Dijon geboren. Die Nachkriegszeit ist drei Jahre alt. Nach dem Ende der Okkupation, dem großen Zwischenspiel, wollte Frankreich die verlorene Ruhe der früheren Jahre wiederfinden. Die Augen des kleinen Mädchens öffnen sich vor dem Horizont einer Landschaft, die geprägt ist von burgundischen Obstplantagen, in denen noch immer die Erntezeit herrscht. Das ist die Kulisse. Der erste Akt ist dem süßen Leben gewidmet.
Wenn man sie über ihre Kindheit sprechen hört, glaubt man, die unendlichen Tonleitern, die Diabelli-Übungen und eine kleine Sonate von Mozart zu hören. Do mi sol si la ré do … Man stellt sich sofort die junge Gymnasiastin ohne Furcht und Tadel vor, die ihr Baccalauréat mit Auszeichnung ablegt.
Woher kommt ihre Vorliebe für das Abenteuer Theater? Zweifellos aus einer künstlerischen Neigung. Hatte sie in Straßburg nicht einen Großvater, Émile Schneider, den Maler? Claude zeichnet und beim Lesen sind es die Heldinnen von Marivaux und Musset … “
Verneuilles beschreibt in ihrer Würdigung die Etappen von Claude Jades Werdgang, die drei Jahre Schauspielschule am Conservatoire, wo sie den ersten Preis für Schauspielkunst erhält, die Kurse bei Jean-Laurent Cochet am Théâtre Édouard VII in Paris, die Entdeckung durch Jean Dewever für die Fernsehserie „Les oiseaux rares“ und wie sie von den Kritikern für ihr Pariser Theaterdebüt in Sacha Pitoëffs „Henri IV“ als „jeune première“ gefeiert wird – und schließlich Truffaut.
„Truffaut holt sie vom Theater, und zwingt sie, ihre Natürlichkeit wiederzufinden. In „Baisers volés“ ist sie die junge Geliebte von Antoine Doinel, Monate später setzt Truffaut die Chronik des Paares fort und verheiratet Claude Jade und Jean-Pierre Léaud in „Domicile conjugal“.
Diese wenigen Monate in Paris haben Claude verändert. Es dauerte nur wenige Monate… und einen Liebeskummer. Einer dieser großen Kummer von dem Heine sagt, dass man ihn zu kleinen Liedern macht. Sie profitiert daraus : – Es ist schön, wenn man darüber hinwegkommt.
Claude verlässt Truffaut für Hitchcock und Hitchcock für Molinaro und Brel in „Mein Onkel Benjamin“ und wieder Truffaut. Letzte Etappe ist „Le bateau sur l’herbe“ von Gérard Brach, in der sie ein junges Mädchen, das zu unbedarft ist, um nicht pervers zu sein, und das in aller Unschuld Zwietracht zwischen zwei Freunden, Jean-Pierre Cassel und John McEnery sät.
Révélation 70: Claude Jade auf dem Cover von Un Jour
Claude Jade ist am Ende des ersten Aktes angelangt, nachdem Claude Dauphin ihr den „Triomphe Révélation de la XXV Nuit du Cinéma“ überreicht hat. Sie wurde einstimmig von einer umsichtigen Fachjury gewählt und ist zweifellos zum Erfolg bestimmt.
Diese beispielhafte Wahl ist ebenso gerecht wie paradox. Sie ist gerecht, weil man mit der Auszeichnung zweifellos die „jeune première“ würdigt, die mit kaum drei Filmen ein Publikum erobert hat. Paradox ist, dass sie inmitten einer exzessiven, gewalttätigen Zeit, die mit Genuss turbulentere Töne spielt, eine Schauspielerin auszeichnet, die Sanftheit mit gutem Geschmack und Spontaneität mit Maß verbindet.
Nur ein französisches Publikum konnte durch eine Jury die Mode auf die Schippe nehmen und etwas glorifizieren, dessen Überleben man uns hartnäckig vorenthält: – das junge französische Mädchen.
Das Geheimnis von Claude Jade muss man wohl im kühlen Schatten der Provinz suchen. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie ihre Rolle richtig gewählt und gespielt hat … Wie andere, für die Soubretten und perverse Naive genau das Richtige sind, konnte sie perfekt „das junge Mädchen“ sein. Dieser Traum, der im Herzen eines jeden Menschen schlummert. Die kleine Verlobte, die sich alle Mütter in Frankreich im Verborgenen ihres Herzens als Schwiegertochter wünschen. Um mehr über sie zu sagen, müsste man sicher Giraudoux sein, Romeo am Fuße des Balkons, und eloquent über die Frische des Morgens sprechen können.“
Auswahl der etwa 80 Rollen, die Claude Jade vor Filmkameras gespielt hat.
Adieu à Claude Jade