Biedere, verklemmte und berechnende Bourgeois, für jene Rollen ist Michel Boquet berühmt, vor allem als Javert in „Die Elenden“ und in Claude Chabrols Abrechnungen mit der Bourgeoisie: Er weckt Verständnis als Stéphane Audrans Ehemann in „Die untreue Frau“ oder ist exzellent verdorben als Audrans Schwiegervater in „Der Riss“.
1976 bietet ihm die Verfilmung von Georges Simenons „Die Glocken von Bicêtre“ eine der wenigen Ausnahmen: Michel Bouquet spielt die Rolle des nach einer Embolie halbseitig gelähmten Verlegers René Maugras.
1976 muss Claude Jade ihre Rolle in Nelly Kaplans Erotikdrama “Néa” absagen, denn ihre Taille hat sich zu sehr verändert: sie ist schwanger. Stattdessen spielt sie nun, parallel zu ihrer Nonne in “Kita no misaki”, die Krankenschwester Blanche in “Les anneaux de Bicêtre“ (Zwischen Tod und Leben).
Ähnlich dem Habit ihrer Nonne ermöglicht ihr die kaschierende Schwesterntracht den Dreh mit einem beeindruckenden Partner: Michel Bouquet. Claude Jade lernt im Hospital Saint-Antoine die genauen Gesten einer Krankenschwester. Vor Drehbeginn erarbeiten die beiden Schauspieler lange an präzisen Details.
Claude Jade beschreibt die Arbeit mit Michel Bouquet in ihren Erinnerungen „Baisers envolés“:
„Michel Bouquet ist äußerst präzise und überlässt nichts dem Zufall. Ich bin sehr beeindruckt von seiner Konzentration und seiner Fähigkeit, so präzise zu arbeiten. Er bereitete sich vollkommen auf die Rolle des Pressemagnaten vor, der plötzlich nach einem Schlaganfall von Hemiplegie und Aphasie befallen ist. Er sagt seinen Text in den ersten zwei Dritteln des Films nur im Voice-over. Wenn die Dreharbeiten stattfinden, ist nichts oder fast nichts wie das, was wir uns vorgestellt haben; die äußeren Beeinträchtigungen sind verwirrend, die Anordnung des Krankenzimmers, in einem Haus wiederhergestellt, ist anders. Doch trotz all dieser Vorgaben passt sich Michel Bouquet an, manchmal macht er das Gegenteil dessen, was er geplant hatte, und er ist dabei großartig. Und er ist zudem ein Mann von perfekter Höflichkeit.“
Fragte man Bouquet in den letzten Jahren nach dem Lauf der Zeit, antwortete er ruhig und ausnahmslos jedem: „Der Tod kommt bald, aber es beeindruckt mich überhaupt nicht.“
Am 13. April ist mit Michel Boquet einer der beeindruckendsten Schauspieler des Französischen Films gestorben.