Gérard Barray 1931 – 2024

Gérard Barray und Claude Jade in „Le témoin“ (Der Zeuge)

Der französische Schauspieler Gérard Barray ist gestern verstorben.

Gérard Barray, der 1960 bei Jean Cocteau die Nachfolge von Jean Marais antrat und den Stanislas neben Edwige Feuillère in „L’Aigle à deux têtes“ am Theater spielte, war in den 60er Jahren der Held in etlichen Mantel- und Degen-Filmen. Seine Rollen: d’Artagnan, Robert Surcouf, Jean de Pardaillan und Scaramouche. Barray wirkte leichter als Marais, eine Verwegenheit und Unerschrockenheit im Blick, stets funkelnde Unbekümmertheit angesichts der Gefahren, die etwa seinem d’Artagnan seitens einer Milady de Winter (siehe linkes Bild) drohen.
Selten als Schuft besetzt, zeigen ihn auch die vier Actionkrimis, die er dreht, ebenfalls als Helden. 1969 bricht er mit „Der Zeuge“ erstmals mit seinem Image: als Museumsdirektor mit dunklem Geheimnis zieht er eine junge Mordzeugin (Claude Jade) in seinen Bann. Cinémonde verspricht: „Mit Gérard Barray und Claude Jade hat Anne Walter in ihrem ersten Film ein Paar vereint, das man nicht so schnell vergessen wird“.

Claude Jade und Gérard Barray in „Der Zeuge“

Vor seinem Van Britten war er in zweiten Hauptrollen zwar Gegenspieler von Jean Marais in „Le capitaine Fracasse“ und von Lex Barker in „Les Mercenaires du Rio Grande“, doch es war eine erste richtige Gegenbesetzung, fernab der Kavaliere – in Bezug auf Claude Jades Cécile blieb er dabei ebenfalls ein Herzensbrecher.
Und was für ein Herzensbrecher. Barray wollte erst Arzt werden, kam dann über seine Liebe zum Theater zuerst zum Kabarett und dann über Unterricht am Cours Simon zum Theater. Zeitgleich zu seinem Vallombreuse als Gegenspieler von Jean Marais in „Fracasse, der freche Kavalier“ übernahm Gérard Barray 1960 dessen Nachfolge an der Seite von Edwige Feuillère in Jean Cocteaus „L’aigle à deux têtes“ als Stanislas. Edwige Feuillère, wie Claude Absolventin des Conservatoire d’Art Dramatique de Dijon, spielte weiterhin die Königin, die sie 1946 gemeinsam mit Marais unter Cocteau kreiert hatte.

In „Capitaine Fracasse“ noch Jean Marais‘ Gegenspieler, wird Gérard Barray dessen Nachfolger.

So übernimmt Gérard Barray am Theater unter Cocteau und im Kino in Abenteurfilmen die Rollen von Jean Marais. Wünschte Claude Jade sich als Kind an die Stelle von Sabina Sesselmann in „Le Bossu“, spielte sie nun in den Armen seines Nachfolgers.
Dabei hatte Barray durchaus zu Beginn seiner Karriere mit „L’eau à la bouche“ (1959) des  „Cahiers du Cinéma“-Kritikers Jacques Doniol-Valcroze die Nouvelle Vague gestreift, als er neben Alexandra Stewart, Françoise Brion, Bernadette Lafont und Jacques Riberolles in einem Liebestausch-Film eine Hauptrolle hatte. Doch wie auch  Michel Galabru als Diener zwischen den Erben fand er keinen Anschluss an die „Neue Welle“.

Gérard Barrays kurze Berührung mit der Nouvelle Vague in „L’eau à la bouche“

Gérard Barray mit Michèle Girardon, Antonella Lualdi, Hildegard Knef, Prudence Harrington, Anna Gael, Valérie Lagrange, Genevieve Casile, Anna Karina, Perrette Pradier, Claude Jade, Michèle Grellier, Geneviève Grad, Mylène Demongeot, Alexandra Stewart, Sylva Koscina

D’Artagnan, Pardaillan, Surcouf und Van Britten. Gérard Barray (1931-2024)

So beginnt eine Dekade, in der Barray einer der international erfolgreichsten französischen Schauspieler im Unterhaltungskino wird.
Neben den Mantel-und-Degen-Filmen ist es auch sein Held in den „Commissaire San Antonio“-Filmen „Sale temps pour les moches“ (Kommissar, Sie riskieren zuviel, 1966) „Béru et ces dames“ (Beru und jene Damen, 1968) nach den Romanen seines Freundes Frederic Dard, die seine Popularität festigen.
Und am Ende jenes Jahrzehnts koproduziert er „Le témoin“, der ihn von einer völlig anderen Seite zeigen soll.

Barray ist hier ein Mann, der die Heldin anzieht: brutal, raffiniert. Cécile verfällt Van Britten und kann ihm ebensowenig entfliehen wie das vor der Schlange erstarrende Kaninchen. Bei der deutschen Erstausstrahlung heißt es im DDR-Fernsehen: „Anne Walter bevorzugt in diesem Film weniger den vordergründigen Kriminaleffekt als vielmehr die Psychologie der Figuren, das zwischen ihnen wirkende Spannungsverhältnis und die Motive ihrer Handlungen. Dabei dominieren allerdings nicht handfeste logische und rationale Gründe, sondern geheimnisvolle, unter- und hintergründige Elemente, die sich der Entschlüsselung entziehen. Handlung und Figuren erhalten so über weite Strecken einen Schimmer von mysteriöser Zweideutigkeit.“

„Le témoin“ läuft zwar in belgischen Kinos, in der DDR wird der Film 1973 als „Der Zeuge“ ausgestrahlt, doch in Frankreich wird er erst zehn Jahre später gezeigt, im Fernsehen.

Gérard Barray lernte bei Dreharbeiten zum Karl-May-Zweiteiler „Les Mercenaires du Rio Grande“ (Der Schatz der Azteken / Die Pyramide des Sonnengottes) die spanische Schauspielerin und Tänzerin Teresa Lorca kennen. Er spielte den Schurken Alfonso, sie die Aztekenprinzessin Karja. Sie heiraten 1965. Nach „Le témoin“ und dem folgenden spanischen Thriller „Helena y Fernanda“ (Week-end pour Helena) tritt Gérard Barray nur noch sporadisch in Filmen auf, etwa als Filmstar in Claude Berris „Le cinéma de papa“.
Wie Claude Jade und andere seiner Filmpartner – Edwige Feuillère, Geneviève Grad, Perrette Pradier, sein „San Antonio“-Co-Star Jean Richard oder seine Musketier-Mitstreiter Georges Descrières, Jacques Toja und Bernard Woringer –  ist er Mitte der 1970er Jahre auch in TV-Inszenierungen von Theaterstücken in der Reihe „Au théâtre ce soir“ zu sehen. Seinem Kino-Comeback 1997 als TV-Mann Duvernois in „Abre los ojos“ von Alejandro Amenábar folgen einige spanische Filme wie Gerardo Herreros „Galindez“ (2003).

Lieben im Kino –  und Liebe fürs Leben mit Teresa Lorca.

Mit Teresa Lorca, mit der er die Kinder Julien und Marie hat, lebte er seit Ende der 1970er Jahren in Andalusien, wo er am 15. Februar in Marbella verstarb.

Gérard Barray, Claude Jade, Le témoin

Nun ist der charmante Draufgänger am 15. Februar gegangen und hinterlässt einen Filmschatz an tollkühnen Helden, die man jederzeit wiederentdecken kann.

2 Kommentare zu “Gérard Barray 1931 – 2024

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