100 ans André Falcon (1924-2009)

Heute ist der 100. Geburtstag von André Falcon, Partner von Claude Jade in „Henri IV“, „Baisers volés“, „Maître Pygmalion“ und „Britannicus“

Nach dem Abschluss am Conservatoire national supérieur d’art dramatique trat André Falcon 1946  in die Comédie-Française ein, wo er bald darauf mit 25 Jahren das jüngste Mitglied wurde.  Als er 1967 die Comédie-Française verließ und sofort zum Ehrenmitglied ernannt wurde, nachdem er die größten Rollen des Repertoires gespielt hatte, wurde François Truffaut auf ihn aufmerksam: Neben seiner Hauptdarstellerin Claude Jade entdeckte er auch ihn in Sacha Pitoëffs Inszenierung von „Henri IV“ am Théâtre Moderne ebenfalls für „Baisers volés“. André Falcon spielte nun für François Truffaut den Detekteichef Blady.

Claude Jade und André Falcon spielen erstmals 1967 gemeinsam in „Henri IV“

Claude Jade war sein Name bereits vertraut, als sie von Pitoeff engagiert wurde. Dank des Petites classiques Larousse, in dem ein Foto von ihm als Rodrigo war, wusste sie, dass er ein superber Schauspieler war. Für Claude Jade ist Falcon „eine Legende“.
Als Belcredi spielt er den Liebhaber ihrer Mutter. „Seine jugendliche Schönheit, sein Temperament und seine Sensibilität führten dazu, dass ihm 1949 die Rolle des Cid anvertraut wurde, in der er triumphierte und die ihm seine Mitgliedschaft einbrachte.“, schreibt die Comédie Française zu Falcons Rodrigo.


Der Blady war Falcons erste größere Rolle beim Film. In den DVD-Kommentaren beschreibt Claude Jade den leicht improvisierten Charakter der Arbeit an „Baisers volés“: „Für François war das Drehbuch von 80 bis 100 Seiten nur eine Art Gedächtnisstütze, er gab nur Anweisungen zum Inhalt. Er schrieb Szenen oft erst am Abend zuvor oder fünf Minuten vor dem Dreh. André Falcon von der Comédie-française erschreckte diese Arbeitsweise furchtbar, denn er war es gewohnt, seine Texte lange vorher zu lernen.“

1975 spielte André Falcon neben Claude Jade und Georges Descrières eine Nebenrolle in „Maître Pygmalion“ und 1980 trafen die beiden erneut auf der Bühne zusammen: diesmal in Falcons Heimatstadt Lyon, wo er heute vor 100 Jahren geboren wurde. In Jean Racines „Britannus“ spielte Falcon neben Claude Jade (Junie), Maria Casarès (Agrippina), Bruno Constantin (Nero), Jean-Paul Lucet (Britannicus), Agnès Chentrier  (Albina) und Jean Meyer (Narcissus) den Burrhus.
Jean Meyer, der „Britannicus“ am Théâtre des Célestins 1980 inszeniert hatte, war dort seit 1967 Leiter des Hauses. Wie Falcon war auch er langjähriges Mitglied der Comédie Française. Mit Claude Jade inszenierte Meyer sechs und mit Falcon zwei Stücke am Theater in Lyon, dem Falcon auch nach Meyers Abschied treu blieb und nun unter der Regie seines „Britannicus“-Partners Jean-Paul Lucet spielte.

10. Todestag Georges Descrières

In Molières „Le bourgeois gentilhomme“ hatte Claude Jade Georges Descrières bereits im Kino Familia in Dijon in Jean Meyers Film als Dorante erlebt. Es war eine Produktion der Comédie Française mit Louis Seigner als Monsieur Jourdain. Den Film von 1958 sah sie kurz vor ihrer Theatertournee als Agnès in Molières „L’école des femmes“ (1964).

Kurz bevor sie selbst Molières Agnès spielte, sah Claude Jade ihren späteren Filmpartner Georges Descrières als Molières Dorante in Jean Meyers „Le bourgeois gentilhomme“.

Georges Descrières hatte achtmal in Inszenierungen von Meyer gespielt, Claude Jade wurde sechsmal Schauspielerin bei Jean Meyer. Auch Jacques Mauclair – bei Descrières für „L’avare“ und bei Claude Jade für „La guerre de Troie n’aura pas lieu“ – und André Barsacq („Les oiseaux de lune“ mit Claude Jade und „La Fourmi dans le corps“) waren gemeinsame Regisseure.

Am Theater arbeiteten sie nie zusammen. Georges Descrières hatte gerade seine populärste Rolle als Maurice Leblancs „Arsène Lupin“ in 26 Folgen der erfolgreichen Fernsehserie abgedreht, als beide die Hauptrollen in Jacques Nahums Film „Maître Pygmalion ou Comment devenir une bonne vendeuse“ spielten.

Georges Descrières und Claude Jade in „Maître Pygmalion“

Doch von klassischen Dialogen keine Spur: Die Produzenten des Schulungsfilms von Jacques Nahum und Hélène Durand wollten zwei angesagte Stars, die zusagten: Claude Jade spielte die erfolglose Jungunternehmerin Juliette, die Christian (Georges Descrières) begegnet, der ihr vorschlägt, Pygmalion zu spielen: Er soll der Meister sein, sie die Schülerin. Doch der Meister verliebt sich. Am Ende entscheidet sich Juliette, Christian-Pygmalion zu heiraten… “ Ich hatte drei aufeinanderfolgende „Pygmalions“, da der Lehrer sein Aussehen änderte: Zuerst Georges Descrières, der einige Schwierigkeiten hatte, sich den neuen Jargon zu merken, und darum bat, das, was er zu sagen hatte, von großen Tafeln ablesen zu dürfen, dann Dominique Paturel und schließlich Michel Ruhl.“

Unpoetisch wechselt Claude die Replik mit Schauspielern, denen sie nach gemeinsamen klassischen Theaterrollen wiederbegegnet: André Falcon, dem Belcredi aus Pitoëffs „Henri IV“ und Michel Ruhl, dem Lysander aus Avertys „Sommernachtstraum“. Während sie mit Georges Descrières tagsüber die leblosen Vokabeln der Unternehmer wechselt, dreht sie abends und nachts für Didier Kaminkas Anarcho-Komödie „Trop c’est trop“ als sinnesfrohes Luder. Und Descrières spielt im Anschluss den Sex-Shop-Chef in Gérard Pires‘ „Attention les yeux!“.

Claude Jade und Georges Descrières in „Maître Pygmalion“ (1975)

Georges Descrières und Claude Jade waren Maurice-Leblanc-Held und -Heldin. In der Adaptation zur „Insel der 30 Särge“ tauchte Leblancs Arsène Lupin nicht auf.

Als Claude Jade 1979 ebenfalls eine Serien-Heldin aus der Feder von Maurice Leblanc wird, entfernen die Autoren Robert Scipion und Marcel Cravenne in „L’île aux trente cercueils“ (Die Insel der 30 Tode) die Figur des Arsène Lupin zugunsten ihrer Véronique d’Hergemont, die nun allein – mit etwas Hilfe ihres Kavaliers Maroux (Yves Beneyton) – die Intrige durchstehen muss. Wer weiß, wie die Begegnung von Véronique und Arsène verlaufen wäre, wenn Descrières einen Gastauftritt gehabt hätte.

Dank René Féret kommen Claude Jade und Georges Descrières 1986 ein weiteres Mal zusammen, als Vater und Tochter in Férets Thriller „L’homme qui n’était pas là“.

Georges Descrières, Claude Jade, L’homme qui n’était pas là

Es blieb sein letzter Kinofilm und er widmete sich weiterhin Fernsehen und vor allem dem Theater. Wie Claude Jade bereits 1998 erhielt Georges Descrières 2004 ebenfalls das Kreuz der Ehrenlegion für seine Verdienste an der Kultur Frankreichs. Heute vor zehn Jahren starb der große Schauspieler, dessen Tochter Sylvia Bergé gerade seit letztem Jahr als Madame Jourdain an der Comédie Française spielt – in Molières „Le bourgeois gentilhomme“.

Genevieve Fontanel 80

volpone claude jade genevieve fontanel 1978In zwei Stücken begegnen sich Claude Jade und Geneviève Fontanel auf der Bühne: 1978 als unschuldige Colomba und als durchtriebene Kurtisane Canina im Venedig der Renaissance in „Volpone“ und 1988 als Gefangene Marie-Renée de Bonchamps und als Frau des Kerkermeisters zur Zeit der Französischen Revolution in „Regulus 93 ou la véritable histoire du citoyen Haudaudine“.

Genevieve fontanel vidoqGeneviève Fontanel, die seit ihrem 4. Lebensmonat in Marokko aufwuchs, kehrte als 18jährige nach Frankreich zurück, studierte an der rue Blanche und absolvierte das Conservatoire national supérieur d’art dramatique. 1958 erhielt sie den Prix de Comédie und wurde Mitglied an der Comédie Française.
Sie spielte am Theater unter der Regie ihres Mannes Jacques Destoop sowie unter Theatermachern, die auch Claude Jades Regisseure waren: Raymond Gérôme, Jacques Mauclair, André Barsacq und Jean Meyer.

Hatte sie ihm Fernsehen größere Rollen wie die der Annette neben Bernard Noël in der Serie „Vidoq“, erhielt sie im Kino trotz großen Charmes und Talents nur Nebenrollen: in den 1960er Jahren Kurzauftritte als Serviererin Marie-Jo in Henri Verneuils „Ein Affe im Winter“, als Marcel Dalios Freundin in Philippe de Brocas „Ich war eine männliche Sexbombe“ mit Jean-Pierre Cassel oder als Joffreys Geliebte Carmencita in „Angélique“.

Geneviève Fontanel mit Jean Gabin und mit Victor Lanoux in "L'affaire Dominici"

Geneviève Fontanel mit Jean Gabin und mit Victor Lanoux in „L’affaire Dominici“

1972 ist sie Victor Lanoux‘ Frau und Jean Gabins Schwiegertochter in „Die Affäre Dominici“. Die Yvette Dominici und ihre Dessous-Boutique-Besitzerin Hélène in François Truffauts „Der Mann, der die Frauen liebte“ sind ihre bekanntesten Rollen. In Truffauts Film war Geneviève Fontanel so herausragend, dass sie 1978 für den César als beste weibliche Nebendarstellerin nominiert wurde.

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Geneviève Fontanel in „L’homme qui aimait les femmes“ von François Truffaut

Zwischen Fontanels Hélène in diesem Film und Claude Jades drittem Einsatz als Christine Darbon-Doinel in Truffauts „Liebe auf der Flucht“ spielten beide gemeinsam in Jean Meyers Inszenierung von „Volpone“ am Théâtre Marigny. Das Stück ist zum Glück erhalten: es lief im Fernsehen in der Reihe „Au théâtre ce soir“ und ist inzwischen auf DVD erschienen.

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Jacques Marin, Claude Jade, Jean Meyer, Geneviève Fontanel, Francis Huster, Jean Le Poulain, Jean Péméja

Genevieve Fontanel Claude Jade Regulus 93 ou la veritable histoire du Citoyen Haudaudine Catherine Decours

„Regulus 93 ou la véritable histoire du Citoyen Haudaudine“ 1988 am Espace 44 in Nantes

fontanel_regulus93_Haudaudine_claude_jade_genevieve_Fontanel_1988Zwölf Jahre später ist Claude Jade die berühmte Marquise Marie-Renée de Bonchamps, die von Pierre Haudaudine (Bruno Pradal) vor der Hinrichtung gerettet wird. Im Gefängnis begegnet sie in Victoire, der Frau des Kerkermeisters, erneut Geneviève Fontanel.
Dass die Befreiung der Marquise durch Haudaudine in den Tagen der letzten Vorstellungen auch in die Befreiung Claude Jades von ihrem jahrelangen Stalker ist, erlebt auch Geneviève Fontanel, als am Theater in Nantes eine Bombendrohung eingeht und kurz darauf eine anonyme Meldung an einen Journalisten von Europe 1, dass Claude Jade und Bruno Pradal leblos in ihrem Hotelzimmer aufgefunden worden seien… Darüber demnächst mehr in diesem Blog.

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Heute gilt es, Geneviève Fontanel zu gratulieren: Herzlichen Glückwunsch zum 80.

Wenn Christine bei Hélène vorbeigeschaut hätte…