Frederick Stafford (11. März 1928 – 28. Juni 1979) würde heute 95. In Alfred Hitchcocks „Topas“ ist er der zentrale Held und Filmvater von Claude Jade. Vier Jahre später spielten Frederick Stafford und Claude Jade erneut zusammen in „La ragazza di via Condotti“. Als Claude Jade geboren wurde, war er aus 1948 der Tschechoslowakei in den Westen in ein neues Leben geflohen – an Claude Jades 20. Geburtstag haben sie ihren ersten Drehtag zu einem Film, in dem ein Überläufer aus dem Osten in den Westen der Auslöser für ein Agentendrama ist – Claude Jade spielt die Tochter des Agenten, der Staffords berühmteste Rolle wird, gleich nach seinem französischen Äquivalent zu James Bond, Agent „OSS 117“
Als Friedrich Strobl von Stein in Piešťany in der Tschechoslowakei geboren, nahm er als Zwanzigjähriger an den tschechoslowakischen Schwimm-Vorentscheidungen für die Olypmischen Sommerspiele 1948 in London teil. Als die ČSR in jenem Jahr der stalinistischen Politik der UdSSR folgte, ging Friedrich nach Australien. Dort arbeitete er als Minenarbeiter, Lastfahrer und Lokführer, promovierte 1962 als Doktor der Chemie und arbeitete beim australischen Pharmaunternehemen Bristol Myers.
1964 lernt er auf einer Geschäftsreise nach Bangkok die österreichische Schauspielerin Marianne Hold kennen, die dort „Die Diamantenhölle vom Mekong“ dreht. Nach sechs Tagen heiraten die beiden in einer fernöstlichen Zeremonie, der gemeinsame Sohn Jean Paul Roderick wird am 4. Dezember 1964 geboren. Während Marianne 1965 mit „Der Schut“ ihren letzten Film dreht und ihre Karriere beendet, beginnt die ihres Mannes: André Hunebelle entdeckt den attraktiven und charismatischen Friedrich bei einem Urlaub für den Film.
Hunebelle hatte mit Kerwin Matthews als Agent OSS 117 alias Hubert Bonisseur de La Bath zwei Agentenfilme gedreht und will Matthews nach zu hohen Gagenforderungen mit einem Umbekannten ersetzen. Der Tscheche ändert seinen Namen in Frederick Stafford und gibt sein Filmdebüt als OSS 117 an der Seite von Mylène Demongeot in „Furia à Bahia pour OSS 117“ (OSS 117 – Pulverfaß Bahia).
Mylène Demongeot: „Frederick Stafford, ein Pharmavertreter, den Hunebelle begeistert in einem Hotel aufgestöbert hatte, in dem sie ihren Urlaub verbrachten. Er ist überhaupt kein Schauspieler, er ist steif wie eine Marionette, aber er ist ein gut aussehender Mann, sehr groß und sehr liebenswürdig.“
Jean Bruce hatte den Agenten OSS 117 bereits 1949 erfunden, vier Jahre vor Ian Flemings „James Bond“. Es ist hier nicht wie bei den Grimms und den hundert Jahre älteren Büchern von Charles Perrault. Auch wenn der erste OSS 117-Film mit Ivan Desny bereits 1956 herauskam, sollte OSS 117 nun allein die Antwort auf Connery als OO7 sein. Stafford war ein französischer James Bond. Wiedererweckt wurde der Agent 2006 von Michel Hazanavicius in den Parodien mit Jean Dujardin.
Wie Sean Connery in den James Bond-Filmen und sein OSS 117-Vorgänger Matthews wird Frederick Stafford von Jean-Pierre Duclos synchronisiert. Frederick Stafford verkörpert OSS 117 auch in Michel Boisronds „Atout cœur à Tokyo pour OSS 117“ mit Marina Vlady. Boisrond besetzt ihn hernach für „L’Homme qui valait des milliards“ mit Anny Duperey. Die folgenden Filme, die Stafford zum Star machen, sind die Agentenfilme „Agent 505- Todesfalle Beirut“ von Manfred R. Köhler, “ Estouffade à la Caraïbe“ von Jacques Besnard, in dem Jean Seberg seine Partnerin ist, und die Kriegsfilme „Dalle Ardenne all’inferno“ (… und morgen fahrt ihr zur Hölle) mit Curd Jürgens und „Der Königstiger von Al Alamein“ mit Robert Hossein.
In der französichen Version von „Topaz“ spricht statt 007- und 117-Stimme Duclos ein Schauspieler, der Sean Connery in Filmen jenseits der Bond-Serie synchronisiert wie bereits für Hitchcocks „Marnie“: Jean-Claude Michel ist für „L’Étau“ Staffords französische Stimme.
TOPAZ
Frederick Stafford hat in Frankreich eine gewisse Popularität, als Hitchcock einen geeigneten Star für „Topas“ sucht. Nachdem er bei „Torn Curtain“ mit Paul Newman und Julie Andrews unglücklich war, wollte er keine Top-Stars mehr, wie es zuvor James Stewart und Cary Grant waren. Claude Jade hatte nach ihrem Debut in Truffauts „Baisers volés“ bereits mit Staffords Entdecker André Hunebelle „Sous le signe de Monte Cristo“ gedreht, ihre französischen Kollegen Dany Robin, Michel Subor, Michel Piccoli und Philippe Noiret genossen bereits Ansehen und auch die weiteren Hauptdarsteller waren keine Unbekannten: die deutsche Krimiheldin Karin Dor war gerade ein Bond-Girl und John Forsythe hatte nach Hitchcocks „The Trouble with Harry“ eine solide Karriere.
Frederick Stafford steht in „Topas“ im Zentrum, umgeben von etwa zehn weiteren Hauptfiguren. Stafford wird in den Kritiken vorgeworfen, er sei hölzern oder überfordert. Den Agenten und Liebhaber nimmt man ihm ab, den Familienvater weniger. Tatsächlich wirkt die Steifheit Staffords passend zur Figur des Agenten und Familienvaters, der Verantwortung immer delegiert. Das Ende mit dem Duell, bei dem ein Heckenschütze seinen Gegner Michel Piccoli erledigt, war, hätte dies noch besser pointiert.
Doch das Urteil des Testpublikums, nachzulesen hier , machte Hitchcocks bevorzugte Version leider zunichte.

Familienrat und Duell in Alfred Hitchocks favorisiertem Finale seines Agentendrama-Thrillers „Topas“: Frederick Stafford mit Dany Robin, Claude Jade, Michel Subor und Michel Piccoli im Stade Charléty
Frederick Stafford ist in „Topas“ als André Devereaux nicht nur in seiner Loyalität als Agent hin- und hergerissen. Aus Freundschaft zu seinem Kollegen Michael Nordstrom (John Forsythe) soll er als neutraler Franzose für die Amerikaner in New York Kubaner ausspionieren und dann auf Kuba Beweise für die Sationierung sowjetischer Raketen finden. Dies wiederum bringt ihn in Paris in Schwierigkeiten, aus denen er sich nur mit der Enttarnung des für die UdSSR arbeitenden französischen Spionagerings „Topas“ bringen kann – und das nur heimlich operierend.
Der Roman „Topas“ war zu jener Zeit in Frankreich verboten und es kommt während es Drehs zu diplomatischen Verwicklungen: Kulturminister André Malraux widerruft kurzfristig die Drehgenehmigung in und um Paris wegen der antigaullistischen Implikationen des Drehbuchs. Da die Regierung sich beschwert, Hitchock würde einen antifranzösischen Film drehen, findet sich der amerikanische Botschafter Sargent Shriver etwas verwirrt in der Rolle eines Filmagenten. Dass der Film in Frankreich später nicht „Topaz“ sondern „Der Schraubstock“ (L’Étau) heißt, passt zum Dilemma des Helden, der insofern ein typischer Hitchcock-Held ist, der seine Unschuld beweisen muss. Doch es ist ein stets um Diplomatie bemühter Held, der andere durch die dadurch entstehenden Konflikte in Gefahr bringt, beginnend beim Blumenhändler Philippe Dubois (Roscoe Lee Browne) bis zum Ehemann seiner Tochter. Dass er nebenbei zwischen Ehefrau (Dany Robin) und kubanischer Geliebter (Karin Dor) schwankt, verkompliziert es. Eine weitaus komplexere Rolle also als alles, was Stafford vorher zu spielen hatte.
Und gemeinsam mit Filmtochter Claude Jade verbringt Stafford auch viel Laufzeit vor der Kamera: harmonisch, fröhlich plaudernd und aufeinander achtend in den New-York-Szenen, wird das Verhältnis von Vater und Tochter im weitereren Verlauf in einer zudem vielfach verflochtenen Personenkonstellation ein wenig tiefer.
Die Fahrt von Orly zum Haus von Granville in Paris zeigt eine klare Sicht der Tochter auf die Ehekrise der Eltern, zwischen denen sie auf der Party zu vermitteln versucht. „Du weißt, dass Mutter dort sein wird?“, fragt Michèle: „Du wirst mit ihr sprechen?“. „Natürlich spreche ich mit ihr“, gibt er angespannt zur Antwort: „Sie hat mich verlassen und nicht ich sie“. Es sind Momente wie Michèles Erklärung, dass Jacques Granville reich geheiratet habe, so dass er neben dem Haus in Paris auch eins an der Côte d’Azur und eines in der Schweiz habe, die Stafford und Jade sorgloser zeigen – oder verbunden, wenn Michèle ihrem Vater später eine Hand auf die Schulter legt nach dem Weggang von Nicole.
Die Sequenz um das Verschwinden von François Picard (Michel Subor), Staffords Schwiegersohn und Claude Jades Film-Ehemann, und das Entdecken der Leiche des emordeten Spions Jarré (Philippe Noiret) gehört zu den besten des Films, exzellenter Suspense mit einer großen Überraschung, da man damit rechnet, François sei der Tote auf dem Autodach.
Claude Jade erinnert sich an einen sehr freundlichen Kollegen, der zudem englisch, französisch, deutsch, tschechisch und italienisch sprach. Gemessen an den Herausforderungen an die Rolle und den immer enger werdenden Handlungsspielraum des André Devereaux war Frederick Staffords Leistung angenehm und die beste Leistung seiner Karriere. So wie auch Staffords Spiel gern im Zweideutigen bleiben darf, fällt auch Hitchcock trotz des Themas nicht in antikommunistische Propaganda: bei ihm setzen auch die Amerikaner den Russen mit Erpressungen unter Druck und wenn sie Kuzenovs Tochter eine schöne Zukunft ausmahlen, ist Tamara Kuzenova (Tina Hedström) etwa in Staffords Alter, als er die Tschechoslowakei verließ.
Es gibt eine Szene zwischen der Drohung der Franzosen, dass gegen ihn ermittelt werde und jener, in der er von François und Michèle vom Flughafen Orly abgeholt wird. André trifft den Überläufer Kuzenov, der ihm vorschwärmt, wie gut es ihm nun im Westen ginge. Das ist 20 Jahre nach dem Überlaufen des Friedrich von Strobl.
Der erste Drehtag für Staffords Film-Tochter Claude Jade, das Duell im Stade Charlety, war Claude Jades zwanzigster Geburtstag. Sie wird ihrem Filmvater etwa vier Jahre später wiederbegegnen. Davor sehen sie sich noch einmal im September 1969 in Paris, wo Alfred Hitchcock zum Officier des Arts et des Lettres geehrt wird.
LA RAGAZZA DI VIA CONDOTTI
Auf „Topas“ folgten für Frederick Stafford noch einige Krimis in Italien, darunter auch die italienisch-französisch-spanische Produktion „La ragazza di via Condotti“ (Meurtres à Rome / La chica de via Condotti) von Germán Lorente. Frederick Stafford spielt den Privatdetektiv Sandro, der sich gerade bei seiner Freundin Tiffany (Claude Jade) über seine schreckliche Ehefrau beschwert, als diese von einem Liebhaber ermordet wird.
Tiffany ist in Sandro verliebt und unterstützt ihn bei seinen Ermittlungen, doch der Detektiv verliebt sich in Laura (Femi Benussi), Stripperin, Boutique-Besitzerin und Lebedame. Claude Jade ist nicht die femme fatale; Tiffany bleibt die zuverlässige Vertraute des Helden. Ihre Liebe bleibt unerwidert wie bei Midge (Barbara Bel Geddes), der Freundin des Detektivs (James Stewart) in Hitchcocks „Vertigo“. Der Held könnte mit ihr glücklich werden, doch er verfällt Laura, die ihn am Ende fallen lässt.
Eine Parallele zu Hitchcocks „Vertigo“ bietet German Lorente immerhin kurz an: So wie Femi Benussi als Laura Perücken trägt oder sich die Haare färbt, gibt es auch eine Szene, in der Tiffany sich verändert: mit einer Haarverlängerung sieht Claude Jade aus wie drei Jahre zuvor in Truffauts „Tisch und Bett“, aus dem burschikosen Mädchen wird eine elegante junge Dame.
Die Observierung Lauras wird auch zu einem Beobachten zwischen den Ermittlern Sandro und Tiffany. Beide mustern sich gegenseitig während des Striptease von Laura und es scheint, als fände Sandro Gefallen an der Veränderung seiner vertrauten Tiffany. Doch das Drehbuch will, dass Tiffany Rom zu kalt findet, eine Stadt ohne Seele – und sie reist im letzten Drittel ab nach Südamerika. Vorher gibt Tiffany Sandro noch einen Kuss auf den Mund und nennt ihn „Don Quixote“. Er wird scheitern und am Ende unschuldig im Gefängnis landen.
Frederick Stafford habe ihr gesagt, dass sie sich in ihrer Art zu spielen bei „La ragazza di via Condotti“ wohler fühlen würde als bei „Topaz“, schreibt Claude Jade 2004 in ihren Erinnerungen „Baisers envolés“.
Frederick Stafford zieht sich 1976 vom Film zurück wie zehn Jahre zuvor seine Frau Marianne Hold. Er wird wieder Geschäftsmann.
Frederick Stafford kommt im Juni 1979 beim Absturz zweier Flugzeuge über dem Sarnersee in der Schweiz ums Leben. Die Morane-Saulnier Rallye des mit Stafford befreundeten tschechischen Arztes Pavel Krahulec, in der er mitfliegt, kollidiert mit dem Piper-Flugzeug eines schweizer Geschäftsmannes aus Thun. Als Dr. Frederick Strobl-Stafford wird er auf dem Witikon-Friedhof in Zürich gemeinsam mit Krahulec beigesetzt. 1994 wird es der Stein für drei, als ihm seine Frau Marianne folgt.
Frederick Staffords Sohn Roderick Strobl arbeitet wie seine Eltern als Künstler: nachdem er mit 13 mit klassischem Girattenspiel und Gesang begann, bestand er die Aufnahmeprüfung am Konservatorium in Wien. 1984 mit mit dem Duo „Hold & Bayer“ beginnend und dann als Sänger beim Rock-Projekt „Meanviles“, startete er 1991 eine erfolgreiche Solokarriere als Roderick Stafford, Sänger, Komponist und Produzent.
Links zu beiden Filmen hier:
Topaz
La ragazza di via Condotti