MARIE DUBOIS DELPHINE SEYRIG
An einem 15. Oktober verschwanden zwei Musen der Nouvelle Vague: Delphine Seyrig starb vor 25 Jahren, wie Claude Jade im Alter von 58 Jahren; der Todestag von Marie Dubois jährt sich heute zum ersten Mal. Claude Jade lernte beide Schauspielerinnen 1968, beim Dreh zu „Geraubte Küsse“, kennen.
MARIE DUBOIS, die von Truffaut für die weibliche Hauptrolle der Lena in „Schießen Sie auf den Pianisten“ entdeckt wurde und als Thérèse in „Jules und Jim“ mit einer Zigarette eine Dampflokomotive imitierte, tauchte eines Tages am Set zu „Geraubte Küsse“ auf. Claude Jade: „Marie Dubois, ganz in Schwarz gekleidet, mit ihrem hübschen Gesicht und ihrem blonden Haar, war wie die Sonne und ich verschlang sie bewundernd mit meinen Augen.“

Serge Rousseau während der Liebeserklärung in „Baisers volés“ und mit Ehefrau Marie Dubois
Marie Dubois hatte am Drehort ihren Mann besucht: Serge Rousseau, jenen Schauspieler, der als „der Unbekannte“ den ganzen Film über Claude Jade verfolgt und ihr am Ende – als Stellvertreter Doinels und Truffauts – seine endgültige Liebe erklärt. Zwei Jahre später reisten Claude Jade und Marie Dubois gemeinsam zum Festival von Karlovy Vary – als Botschafterinnen des Französischen Films. Ein Jahr später, 1971, repräsentieren Claude Jade und Marie Dubois erneut das französische Kino, diesmal in München zur Woche des Französischen Films. Wenn sie sich nicht im Ausland begegnen, trifft man Claude Jade und Marie Dubois in jenen Jahren auch beim Dominospiel bei François Truffaut.

François Truffaut, Claude Jade und Marie Dubois

Jacqueline Bisset, Nelly Benedetti, Catherine Deneuve, Bernadette Lafont, Claire Maurier, Delphine Seyrig, Brigitte Fossey, Claude Jade; Henri Serre, Serge Rousseau, Marie Dubois, Gérard Depardieu, Charles Aznavour, Jean-Claude Brialy, Jean-Pierre Léaud, Jean-Pierre Aumont und Henri Garcin, Cannes 1985
* DELPHINE SEYRIG *
DELPHINE SEYRIG war in der Nouvelle Vague die Muse Alain Resnais‘ in „Letztes Jahr in Marienbad“ und „Muriel oder Die Zeit der Wiederkehr“. Truffaut verehrt sie für diese Leistungen und sieht sie 1964 am Theater in Harold Pinters „Der Liebhaber“. Er lädt sie zum Essen ein und fühlt sich an Louise de Vilmorin erinnert: „ein makelloses Oval“ und „ein Teint, leuchtend, wie von innen erhellt“. Mit eben jenen Worten wird Antoine Doinel – vier Jahre später in „Baisers volés“ – Delphine Seyrigs Fabienne Tabard beschreiben.
Madame Tabard, dieser bewunderte Entwurf aus Geld und Hermelin, ist für Antoine der Grund, Christine vorerst zu verlassen: „Liebe setzt Bewunderung voraus und ich habe dich nie bewundert, nicht einmal als ich glaubte, ich liebe dich“. Doch Christine ergreift schließlich die Initiative und gewinnt Antoine zurück; Fabienne bleibt, was sie ist, die Frau des Dinosauriers Tabard.
„Am Ende funktioniert die Begegnung Antoines mit Fabienne Tabard nicht anders als andere beiläufige Chiffren von Liebe in diesem Film. Wie der Homosexuelle, der sich in einen Zauberkünstler verliebt hat, ist sie eine der Spielarten der Liebe, die Antoines Verhältnis zu Christine kontrastieren“ (Hanns Fischer, 1974).
Auch wenn Fabienne Tabard keine Chance gegen die erste weibliche Hauptfigur Christine Darbon hat, ist Delphine Seyrig in ihren Szenen eine „überirdische Erscheinung“. Fabienne lehnt dies kategorisch ab: „Ich bin keine überirdische Erscheinung, ich bin das genaue Gegenteil, ich bin eine Frau.“

Delphine Seyrig und Claude Jade in „Baisers volés“

Claude Jade, Delphine Seyrig und Catherine Deneuve in Cannes 1985