LE SONGE D’UNE NUIT D’ÉTÉ (Ein Sommernachtstraum)
TV-Film 1969 Regie und Adaptation: Jean-Christophe Averty, nach William Shakespeare K: Claude Galland Musik: Jean-Claude Pelletier Choreographie: Jean Guélis Schnitt: Christiane Coutel Kostüme: Josette Vernier EA: 25.12.1969 DA: 22.12.1971 WDR, BR, SFB, 20.05.1972 HR, 14.01.1973 NDR
D: Claude Jade (Helena), Jean-Claude Drouot (Oberon), Michel Tureau (Puck), Christine Delaroche (Hermia), Michel Ruhl (Lysander), Dominique Serina (Demetrius), Christiane Minazzoli (Titania), Marie Versini (Hippolyta), Benoit Allemane (Theseus), Michel Robin (Schneider Crêve la faim), Jacques Ferrière (Weber Bottom), Michel Muller (Kesselflicker Groin), Michel Modo (Blasebalgflicker Flute), Guy Grosso (Zimmermann Lecoing), Gil Baladou (Tischler Snug/Etriqué), Henri Virlojeux (Egeus), Pierre Louki (Philostrate), Hélène Manesse (die Fee), Dupont, Pondu, André Badin, Jacques Marchand, Zvonimir Podkovac u.a.
Téléast Averty, der mit Surrealismus und Poesie das Fernsehen revolutionierte, erschuf eine außergewöhnliche Inszenierung mit Claude Jade in der Hauptrolle. Le Monde erklärt den Film zum „chef-d’œuvre“ und France Soir spricht von einem epochalen Datum und einer Revolution in der Geschichte der Regie.
François Truffaut bittet Claude Jade im November 1969, als sie für das Fernsehen die Theaterrolle der Helena aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ spielt, danach vorerst keine Fernsehfilme zu drehen, denn er brauche sie ab Jahresbeginn.
Claude, die selbst beim Signieren des exklusiven Sieben-Jahres-Vertrages für Universal nach Hitchcocks „Topas“ ablehnte, um weiterhin Theater spielen zu können, möchte dem Theater treu bleiben, denn sie wollte Schauspielerin werden, weil sie Worte liebte. Dies ermöglicht ihr Avertys Fernsehereignis. Hauptfigur von Shakespeares Werk ist Helena, die nicht nur den meisten Text bei 36 Einsätzen und 229 Zeilen hat, sondern auch die Protagonistin ist. Nach „Mein Onkel Benjamin“, der ihren Starstatus im Kino festigt, spielt Claude Jade eine Theaterrolle für eine ambitionierte und außergewöhnliche Fernsehinszenierung: Jean-Christophe Averty adaptiert Shakespeares „Sommernachtstraum“ für „die kleine Leinwand“. Claude Jade spielt die verzweifelt in den Wald flüchtende Helena, die nach einem Liebeszauber von den jungen Männern Demetrius und Lysander begehrt wird und darüber – bisher ungeliebt – in erneute Verzweiflung und in Rage gerät.
Averty ist Surrealist und Vertreter des Chic, Vater der Blue Screen im französischen Fernsehen und Visionär. Er war der kreativste Fernsehregisseur seiner Zeit. Der „Téléaste“ Averty wollte nie Fernsehen machen, wie es die anderen taten. Lieber erfand er bunte Bilder, schnitt sie kunstvoll und synthetisch. Er erhielt 1965 für sein Wirken als Video-Pionier den Emmy Award; die legendären Musikvideos von France Gall, Françoise Hardy, Gainsbourg, Bécaud, Ferré, Hallyday und Dalida sind ohne Averty undenkbar. Literaturnobelpreisträger François Mauriac: „Nach Jean-Christophe Averty können Fernsehshows nicht mehr sein, was sie vor ihm waren. Er hat ihren Rhythmus verändert und die Ansprüche gehoben.“

Nach seinen Musikvideos für Bécaud, Gainsbourg, Birkin, Montand, Hallyday und Françoise Hardy drehte Averty auch die Filme „Le songe d’une nuit d’été“ und „Ubu roi“
Ein Jahr zuvor hatte Peter Hall mit Schauspielern der Royal Shakespeare-Company den „Sommernachtstraum“ verfilmt und war 1969 für einen Primetime-Emmy-Award nominiert. Bei ihm agierten Größen wie Diana Rigg als Helena, Helen Mirren als Hermia, David Warner als Lysander, Michael Jayston als Demetrius, Ian Holm als Puck sowie Judi Dench und Ian Richardson als Elfenkönigspaar. Emmy-Preisträger Averty konnte ebenfalls Stars gewinnen. Neben Claude Jade als Helena agieren Christine Delaroche als Helenas Freundin und Rivalin Hermia, Jean-Claude Drouot und Christiane Minazzoli als Elfenpaar Oberon und Titania, Michel Tureau als Puck sowie Marie Versini, die Nscho-tschi aus „Winnetou“, als Amazonenkönigin Hippolyta vor einer „blue screen“.‘

Jean-Christophe Averty mit (von links) Benoît Allemane, Marie Versini, Christine Delaroche und Claude Jade
Claude Jade beschreibt in „Baisers envolés“ die Arbeitsweise zu diesem damals neuen Verfahren:
„Averty zeigt uns das Storyboard, das er gezeichnet hat, wobei er jede Einstellung, die er zu machen gedenkt, detailliert aufführt, was sehr nützlich ist. Er wird mit mehreren Videokameras für eine einzige Einstellung arbeiten und die Schauspieler werden in kleinen, nachträglich eingeblendeten Kästchen in stilisierten Hintergründen erscheinen, die mithilfe elektronischer Tricktechnik hergestellt werden. Er hat eine blühende Fantasie und ist ein Virtuose auf diesem Gebiet. Das Stück, das in Athen spielt, ist eine Art märchenhafte Initiation, in der sich das Heilige, das Seltsame und das Alltägliche vermischen. Die Vision, die er dem Stück verleiht, passt perfekt zu der unwirklichen und buffonesken Atmosphäre, die Shakespeare sich ausgedacht hat. Ich bin jedoch völlig überrascht, als ich ein völlig nacktes, hellblau gestrichenes Bühnenbild entdecke. Es gibt nur ein paar ebenfalls blaue Klötze, auf denen die Figuren sitzen können. Ich muss viel Fantasie aufbringen, um zu wissen, in welcher Zeichnung ich am Ende auftauchen werde.
Wir probten lange an einem Tisch, um den Text zu lesen, und dann auf der Bühne, wo unsere Plätze sehr genau festgelegt wurden. Als es zur Aufnahme kommt, ist Jean-Christophe Averty sehr aufgeregt, fiebrig. Er steht in der Regiekabine und wir hören ihn manchmal die Techniker anbrüllen, wenn er nicht bekommt, was er will. Die Unglücklichen, deren Arbeit hart ist, die aber seine Wutausbrüche gut kennen, bekommen das zu spüren. Einmal zerbricht er vor Wut sogar eine Kamera. Er will die Perfektion. Seine Anfälle dauern nicht lange und amüsieren uns fast, weil sie immer so plötzlich kommen. Abgesehen von den Dreharbeiten und technischen Problemen ist er sehr charmant. Mit mir ist er sehr freundlich und geduldig, aber ich habe noch nie mit einem solchen Phänomen gearbeitet. Er ist ein Fernsehverrückter.“
Für Claude Jade bietet sich eine irreal anmutende Erfahrung, in einem nackten Raum mit blauen Wänden, mit blauen Tonnen, Klötzen und Säulen zu agieren, der später zu Shakespeares Märchenwald wird. Das Bild teilt sich per Split-screen in parallele Szenen, schwelgend vor einem psychedelischen Farbenmeer, das machmal so flirrend erscheint, dass zwar die Atmosphäre unterstützt wird, die Schauspieler in einigen Einstellungen von diesem Universum fast verschlungen werden.
Die Komplizen im Experiment
Ihre Partner in diesem neuen und geglückten Experiment aus Theater, Kino und Fernsehen hatten ihre Wurzeln ebenfalls im Theater und waren etabliert im Kino und im Fernsehen, weil sie – wie Claude Jade damals – keinen verkrampften Unterschied zwischen diesen Kategorien sahen und diese drei miteinander verbinden wollten.

Jean-Claude Drouot als Oberon. Von 1963 bis 1966 spielte er die Titelrolle der TV-Serie „Thierry la Fronde“, die ihn berühmt machte. Sein erster Kinoerfolg 1965 ist die Hauptrolle in Agnès Vardas „Le bonheur“. Er machte bereits ebenfalls international im anglophonen Film Karriere: Tony Richardson, der zu jener Zeit mit Claude Jade und Rudolf Nurejw den von Edward Albee geschriebenen „Nijinsky“-Film drehen will, hatte Drouot ein Jahr zuvor für die von Edward Bond bearbeitete Nabokov-Verfilmung „Laughter in the Dark“ engagiert. Drouot machte neben Kinofilmen wie Chabrols „Der Riss“ weiterhin Karriere im Fernsehen mit „Les gens de Mogador“ (Die Leute von Mogador) und blieb vor allem ein Theatermann. Das Mitglied der Comédie Française wurde Theaterleiter in Reims und Bruxelles. 2002 spielte er am Pariser Lucernaire, wo Claude Jade 2006 ihre letzte Rolle hatte, „L’art d’être grand-père“ von Victor Hugo.
Christiane Minazzoli (Titania) war 1959 in Jean Vilars „Sommernachtstraum“ beim Festival d’Avignon und am Théâtre National Populaire die Helena, während Maria Casarès, Claudes spätere Partnerin in „Britannicus“, die Titania gab, Claudes Serienvater Guy Saint-Jean aus „Les oiseaux rares“ den Schneider und Philippe Noiret aus „Topaz“ den Kesselflicker.
1963 spielte Minazzoli ihre zweite bedeutende Helena in „Der Trojanische Krieg findet nicht statt“ mit Claudes erstem Bühnenidol Pierre Vaneck. Claude hatte hatte ihn drei Stunden in der 1963er Inszenierung von Rostands „L’Aiglon“ gesehen: ihr Herz schlägt für Vanecks unglücklichen Titelhelden, den Grafen von Reichstadt. Für das Mädchen aus Dijon vereinten sich Vaneck und der junge Adler, ihr klopft das Herz, als sie von der Loge aus die gleiche Luft atmet wie der umschwärmte Schauspieler. So wie sie zehn Jahre nach Minazzoli bei Vilar Shakespeares Helena bei Averty wurde, war sie 1975 Giraudoux‘ Helena am Théâtre des Célestins in Lyon.

Christiane Minazzoli hatte 1959 bei Vilar Shakespeares Helena gespielt und nun war sie zehn Jahre später die Titania. Minazzoli spielte Giraudoux‘ Helena 1963 neben Claude Jades erstem Bühnenidol Pierre Vaneck in „Der trojanische Krieg findet nicht statt“ und später mit Jean Rochefort, Michel Bouquet und Daniel Ceccaldi
In ihrer Bühnenkarriere, die 1952 bei Vilar am TNP mit Gérard Philipe begann, spielte Minazzoli mit späteren Partnern von Claude Jade: mit Michel Le Royer („Lorenzaccio“) in „La reine galante“, Michel Bouquet („Zwischen Tod und Leben“) in „Der Frieden“, Jean Rochefort („Kerzenlicht“) in „Loin de Rueil“, Georges Wilson („L’honneur d’un capitaine“) in „Dantons Tod“, Jean-Paul Zehnacker („L’île aux trente cercueils“ und „L’Interrogatoire“) in „Une anguille pour rêver“, Jean Barney („Il y a longtemps que je t’aime“, „Porté disparu“) in „L’Autre Valse“, Michel Galabru („Le bahut va craquer“) in „Les Rustres“, Jean-Pierre Cassel („Le bateau sur l’herbe“), Guy Tréjan („Allô Police“) und Martine Sarcey („Port Royal“) in „Le Temps difficiles“, Marcelle Ranson-Hervé („Retour à l’envoyeur“) in „Antigone“, Jacques Weber („Le malin plaisir“) in „La convention Belzébir“, André Falcon („Henri IV“, „Baisers volés“, „Britannicus“) in „Crime et Châtiment“, Bruno Pradal („Une petite fille dans les tournesols“) in „Le Bourgeois gentillhomme“, Francis Perrin, Dominique Paturel, Hélène Duc, Rosy Varte, Robert Etcheverry, Tsilla Chelton, Jean Parédès … und Jahre später mit Claudes Filmvater in den Doinel-Filmen, Daniel Ceccaldi, in „Don Juan et la Creuse“. Am Théâtre Mouffetard spielt Minazzoli 1998 unter Claudes Schauspiellehrer Jean-Laurent Cochet in „Nouveau Testament“ und 1999 mit Jean-Claude Adelin (Charles aus „Eugénie Grandet“) in „September“, bevor Claude dort ein Jahr später mit den Proben zu „Lorenzaccio“ (2001) beginnt.
Im Film wird Christiane Minazzoli Mitte der 1960er als Partnerin von Eddie Constantine in „Les Femmes d’abord“ und „À toi de faire… mignonne“ bekannt. Im Fernsehen ist sie wie auch Claude wiederholt in Theateraufzeichnungen bei „Au théâtre ce soir“ zu erleben.

Michel Tureau über Jean-Claude Drouot, Christiane Minazzoli, Michel Ruhl, Claude Jade, Christine Delaroche, Dominique Serina, Marie Versini und Benoît Allemane
Michel Tureau (Puck): Bekannt wird der feingliedrige Schauspieler in jungen Jahren als André in der Fernsehserie „Le Tour de France par deux enfants“ (1956). Sein Kinodebüt folgt 1964 mit der Rolle des Milou in André Cayattes „La vie conjugale“. Tureaus Statur macht ihn zur Idealbesetzung des Puck. Seine bekannteste Filmrolle ist im selben Jahr die Hauptrolle des Muttersöhnchens und Frauenserienmörders Casanova in der schwarzen Komödie „Le Grand cérémonial“ (Vöglein, Vöglein an der Wand). 1971 folgt mit dem Part des Soldaten Jean Froissard in „Biribi – Hölle unter heißer Sonne“ eine weitere Hauptrolle. Danach arbeitet er vor allem als Synchronsprecher.

Oberon (Jean-Claude Drouot) ist besorgt, Puck (Michel Tureau) amüsiert, als sie in ihrem Fernseher Helena (Claude Jade) und Hermia (Christine Delaroche) sehen.

Helena (Claude Jade) und Hermia (Christine Delaroche) sind Freundinnen, die im Wald durch den Zauber entzweit werden.
Christine Delaroche war einige Monate vor ihrer Hermia die Hero in Shakespeares „Viel Lärm um Nichts“. Parallel zum „Sommernachtstraum“ spielte sie die Schwester von Claudes Filmvater Daniel Ceccaldi in Moravias „Die Welt ist, was sie ist“ an Claudes späterem Haupttheater Théâtre des Célestins. Christine Delaroche wurde nach Konservatorium und Theaterengagements mit der Hauptrolle in der Serie „Belphégor“ an der Seite von Yves Rénier bekannt. Wie Claude spielte sie kurz darauf in einer „Allô Police“-Folge und erhielt Mitte der 60er Kinohauptrollen: mit Montgomery Clift in Raoul Levys „L’espion“ (Lautlose Waffen), mit Nino Castelnuovo in Vittorio De Sicas „Eine neue Welt“ und mit Adamo in „Les Arnaud“. Delaroche, die auch als Sängerin bekannt wurde, war später in auch in „Au théâtre ce soir“ zu sehen und spielte am Theater 1974 unter Cochet in „Le Siècle des Lumières“ am Théâtre au Palais-Royal und 1981 unter Wilson die Estelle in Sartes „Huis clos“.

Dominique Serina (Demetrius), Christine Delaroche (Hermia), Michel Ruhl (Lysander), Claude Jade (Helena)
Michel Ruhl (Lysander) hatte 1952 unter Gérard Philipe in „Lorenzaccio“ am TNP debütiert und seine erste wichtige Rolle 1959 am Theater als Edmund neben Gaby Morlay und Pierre Vaneck in O’Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“. Anfang der 1960er im Kino mit den Hauptrollen in André Michels „Ton ombre est la mienne“ und Autant-Laras „Nouveau journal d’une femme en blanc“ bekannt geworden, balanciert er seine Karriere später zwischen Theater und Fernsehen aus. Für den Ausbildungsfilm „Maître Pygmalion“, in dem Michel Ruhl ein Doppelgänger von Georges Descrières und somit ein Pygmalion für Hauptdarstellerin Claude Jade wird, sehen sie sich 1975 wieder. Statt klassischer Texte haben sie ihnen leblos erscheinende Vokabeln als Dialoge zu spielen.
Für Dominique Serina war der Demetrius seine größte und bekannteste Rolle. Er war in mindestens zwei Theaterstücken zu sehen, hatte kleinere Rollen in der „Les cinq dernières minutes“-Folge „Un mort à la une“ und im Fernsehfilm „Quatrevingt-treize“. Nach einem Auftritt als Giovanni im Fernsehfilm „Collins & co“ hatte er wie seine Frau Nicole Chaput einen Auftritt in der „Allô Police“-Folge „La voyante“. Nicole Chaput, die kurzzeitig durch eine Hauptrolle als eine der Schwestern von Claude Jade in der Serie „Les oiseaux rares“ bekannt wurde, kam durch Zufall zum Schauspiel und hatte den mit klassischem Hintergrund agierenden Serina nach einem Kurzfilmdreh bei einem Schauspielkurs kennengelernt. Sie heirateten, wurden Eltern und zogen sich nach 1969 vom Beruf zurück. Chaput damals zu Tele 7 Jours: „Ich liebe meinen Mann und meine dreijährige Tochter. Wenn die Familie es erforderlich macht, gebe ich meinen Beruf ohne Zögern und Bedauern auf.“ Seit 1970 ist in Film- und Theaterarchiven nichts zu finden, doch Dominique Sérina war 18 Jahre später erneut im 2. Programm zu sehen: Im Dezember 1987 berichtet France 2 über ihn als Entwickler eines elektronischen Stifts, der wie Zauberei wirkt: Zahlen, die mit diesem Stift auf ein Blatt Papier gezeichnet werden, errechnet Sérinas Erfindung in seinem Gehäuse. „Sérina: „Es ist ein völlig autonomer Stift, weil er keine Verbindung zu einem Computer braucht und es ermöglicht, gleichzeitig zu schreiben und zu rechnen“. Man brauche fünf Minuten, um ihm die eigene Handschrift beizubringen, und dann wird er die Zeichen und Zahlen erkennen.

Demetrius blieb Dominique Serinas größte Rolle als Schauspieler. 18 Jahre später war er als Erfinder eines elektronischen Stiftes in einer Fernsehreportage zu sehen.
Von den Handwerkern sind Michel Modo und Guy Grosso vor allem als Gendarmen Berlicot und Tricart in den Gendarm-Filmen mit Louis de Funès bekannt. Jacques Ferrière und Michel Muller hatten Mitte der 60er Jahre das langlebige und erfolgreiche Komiker-Duo « Muller et Ferrière » gegründet. Beide waren in 79 Aufzeichnungen von Averty zu erleben. Gil Baladou gab sein Filmdebüt 1962 als Minnesänger in „Mandrin“ und war später der Vorarbeiter Carlini in Michel Drachs „Der rote Pullover“. Er begann seine Theaterlaufbahn 1964 am TNP und spielte dann oft unter André Nader am Théâtre Rochefort. Als er bei Averty den Tischler gab, lief sein eigenes Stück „Monsieur Jonathan“ bereits am Pariser Théâtre du Marais.

Michel Robin (Crêve La Faim), Jacques Ferrière (Bottom), Michel Muller (Groin), Michel Modo (Laflute), Guy Grosso (Lecoing) und Gild Baladou (L’Etriqué) treten bei der Dreier-Hochzeit Helenas (Claude Jade) mit Demetrius (Dominique Serina), Hermias (Delaroche) mit Lysander (Ruhl) und Hippolytas (Versini) mit Theseus (Allemane) auf.
Michel Robin, der den Schneider Starveling alias Crêve La Faim spielt, begann 1958 am Theater bei Planchon und der Truppe Barrault-Reynaud. Im Film meist auf kleine Auftritte begrenzt, kommt bei Gorettas „Die Einladung“, in dem er 1973 einen bescheidenen Büroangestellten spielt, sein ganzes Talent zum Vorschein. Für „Les petites Fugues“, erhält er 1979 in Locarno den Preis für die beste Hauptrolle und 1989 den Theaterpreis Molière für die beste Nebenrolle in Yasmina Rezas „La Traversée de l’hiver“.
Claude Jade schwärmte bei Avertys Film für Robin: „Der Auftritt der Handwerker, die für eine burleske Darbietung in einen Löwen und einen Mond verwandelt wurden, ist für mich unvergesslich. Michel Robin ist von einer wunderbaren Poesie und Komik. Er kommt mit einem etwas anderen Gesichtsausdruck, trägt seine Laterne und sagt einfach „et moi, je suis la lune“ (und ich, ich bin der Mond).“
Ebenfalls durch den Wald und Avertys Effekte tanzt als Fee Hélène Manesse, die in Jahr zuvor im Fernsehen die Katharina in Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ spielte. Sie war in „Au théâtre ce soir“ an der Seite von Gérard Barray dessen Komplizin in „La complice“ und spielte neben Gilles Segal und Serge Marquand in der Serie „Les pirates de la mer“.

Puck (Michel Tureau) und die Fee (Hélène Manesse) erhalten in ihrem Reich wie Oberon und Titania Besuch von Menschen: Helena und Demetrius.

Claude Jade (Helena), Marie Versini (Hippolyta), Christina Delaroche (Hermia) in „Ein Sommernachtstraum“
Am Hof von Athen ist Marie Versini die Hippolyta. Im Dezember 1969 spielte sie bereits in Lyon am Théâtre des Célestins unter Claudes späterem Stammregisseur Jean Meyer in „La lune heureuse“.
Versini begann ihre Karriere mit 17 als jüngstes Mitglied der Comédie-Française. Seit ihrem Debüt 1956 spielte sie sechsmal unter Meyer, der später sechs Stücke mit Claude Jade inszenierte. 1958 mit „A Tale of Two Cities“ für das englischsprachige Kino entdeckt und dort beschäftigt, holt Rolf Thiele sie 1962 für „Das schwarz-weiß-rote Himmelbett“ nach Deutschland. Dort wird sie 1963 mit der Rolle als Pierre Brices Schwester und Lex Barkers Liebe Nscho-tschi in „Winnetou 1. Teil“ zum Star. Mit Lex Barker spielt sie in drei weiteren Karl-May-Verfilmungen um Kara Ben Nemsi. Ihre Nscho-tschi wird nach Abflauen der Karl-May-Welle noch einmal erfolglos für „Winnetou und sein Freund Old Firehand“ wiederbelebt.
Marie Versinis Filmkarriere bleibt wie bei Pierre Brice – bis auf ihre Rolle als Belmondos Frau Claire Morandant im überfrachteten Starensemble-Film „Brennt Paris?“ – auf Deutschland beschränkt, wo sie ihre anspruchsvollste Rolle im Kriegsfilm „Kennwort: Reiher“ hat.

Marie Versini und Benoît Allemane mit Henri Virlogeux als Egeus und den vier Liebenden (Claude Jade, Dominique Serina, Christine Delaroche, Michel Ruhl)
Hippolytas Bräutigam Theseus gibt Benoît Allemane, der 1969 zeitgleich unter der Regie von Peter Ustinov in dessen „Der unbekannte Soldat und seine Frau“ am Théatre des Célestins in Lyon den Kriegsdienstverweigerer spielte. Allemane, der 1969 zudem für den ORTF die Stimme des kleinen Elefanten Babar war und vielbeschäftigter Sprecher ist, arbeitete später am Theater oft unter Robert Hossein.

In Nebenrollen sind als Egeus (in Blaurot) Henri Virlogeux und als Philostrat (in Schwarzgelb) Pierre Louki am Hof von Athen zu erleben.
Bei Hofe begegnen wir mit Henri Virlogeux als Egeus jenem Nachtwächter, der in Truffauts „Les 400 coups“ Antoine Doinel beim Diebstahl einer Schreibmaschine erwischte. Im Kino auf wirkungsvolle Auftritte wie diesen berühmten beschränkt, hat er am Theater eine reiche Karriere wie auch im Fernsehen, wo er neben Georges Descrières in der „Arsène Lupin“-Serie drei Jahre die Sherlock-Holmes-Anspielung Herlock Sholmès spielt. Einen kurzen Auftritt als Zeremonienmeister Philostrat hat der Sänger und Liedtexter Pierre Louki, der in vielen Averty-Sendungen auftrat und von ihm zum Lied „Infâme Averty“ inspiriert wurde.

Die Musik zu Avertys Film und zum Filmballett komponierte Jazzmusiker, Filmkomponist und Bandleader Jean-Claude Pelletier (1928-1982)
Die Jazzmusik, die in der Ouvertüre märchenhaft beginnt und dann verträumt, peitschend und verrückt die Schauspieler durch Avertys Bilderrausch mit sich reißt, komponierte Jean-Claude Pelletier. Der Jazzpianist und Bandleader hatte die Filmmusik für Yves Boissets „Coplan sauve sa peau“ (Der Teufelsgarten) und für weitere Filme von Averty erschaffen.
Auch das Ballett weist renommierte Künstler auf: Zvonimir „Zvonko“ Podkovac (1926 – 2022) war langjähriger Solist am Zagreber Ballett, bevor er nach Paris ging. Seine Frau, die Ballerina Ada Višić, die mit ihm von Zabgreb ans Grand Théâtre Nancy wechselte, tanzt ebenfalls in Avertys Sommernachtstraum.
Die Choreographie übernahm wie schon bei Avertys Baudelaire-Adaptation von „Les Fleurs du Mal“ Jean Guélis. Am Theater hatte er mit Jacques Mauclair, Claudes späterem Regisseur bei „La guerre de Troie…“ und für Claudes einstigen Schauspiellehrer Jean-Laurent Cochet dessen Choreographie von Offenbachs „La belle Hélène“ choreographiert. Im Film war er als Choreograph für Clive Donners „What’s New Pussycat“ ebenso bekannt wie für André Hunebelles „Le Bossu“ und „Le Capitan“, für die Claude als Kind geschwärmt und sie sich gewünscht hatte, in „Le Bossu“ an Sabine Sesselmanns Stelle jene Aurore zu sein, die sich am Ende in die Umarmung des von Jean Marais gespielten Helden Henri de Lagardère schmiegt. Mit Hunebelle hatte sie ein Jahr zuvor „Sous le signe de Monte Cristo“ gedreht – nun arbeitete sie erneut mit Künstlern, die mit ihren Kindheitsidolen wie Vaneck, Marais und Gérard Philipe vertraut gewesen waren.
Das Stück als Film mit Videotechnik
Am Hof von Athen leben Hermia und deren enge Freundin Helena. Hermia ist in Lysander und Helena in Demetrius verliebt, wird von diesem aber abgelehnt. Hermia soll auf Befehl ihres Vaters Egeus Demetrius heiraten oder zwischen Tod und Verbannung wählen. Lysander und Hermia wollen aus Athen fliehen und weihen Helena in ihre Pläne ein. Helena folgt ihnen mit Demetrius. Elfenkönig Oberon will nach einem Streit mit Gattin Titania diese mit einem Zauber dazu bringen, dass sie sich beim Erwachen in ein Scheusal verliebt. Es ist ein Zauber, bei dem jeder Erwachende sich in das erste Wesen, dass er erblickt, verliebt. Demetrius sucht im Wald nach den Flüchtenden in der Absicht, Lysander zu töten, um dann von Hermia umgebracht zu werden. Helena folgt ihm. Sie ist maßlos verliebt: „Behandle mich wie dein Hündchen, verachte mich, schlag mich.“ Doch Demetrius weist seine einstige Verlobte Helena grausam ab.
Oberon beobachtet den Streit und gibt Puck den Auftrag, Helenas Glück zu machen. Er soll einem Athener im Wald im Schlaf etwas von dem Saft auf die Augenlider träufeln. Er soll Demetrius in Helena verliebt machen. Doch Puck verwechselt die Männer, findet das schlafende andere Paar und er beträufelt Lysanders Lider. Helena verfolgt immer noch Demetrius und stolpert dabei über den schlafenden Lysander. Dieser wacht auf, verliebt sich in Helena und folgt ihr durch den Wald. In diesem proben Handwerker ein Stück, das sie zur Hochzeit von Athens Herzog Theseus mit der Amazone Hippolyta aufführen wollen. Dem Handwerker Bottom wird ein Eselskopf gezaubert und die erwachende Titania verliebt sich in dieses Geschöpf. Oberon könnte zufrieden sein, doch der Irrtum bei den vier Liebenden muss geklärt werden. Oberon befiehlt Puck, Helena zu holen, und wendet selbst das Mittel bei Demetrius an.
Als Helena erscheint, erwacht Demetrius und verliebt sich in sie. Nun lieben beide Männer Helena. Lysander schwört unter dem Einfluss des Zaubers Helena seine Liebe, Demetrius tut das Gleiche. Helena fühlt sich von ihnen verspottet und verjagt beide. Als die inzwischen erwachte Hermia hinzukommt, wirft Helena ihrer Freundin Hermia Verrat vor: „Und jetzt zerreißt du unsere alte Liebe.“ Die beiden Frauen geraten heftig aneinander. Als die vier nach einer Jagd auf sie erschöpft einschlafen, wendet Oberon den Zauber erneut an. Als die Nacht vorüber ist, hat Handwerker Bottom wieder seinen Kopf und eine Jagdgesellschaft findet die beiden Paare, die nun glücklich verliebt sind. Herzog Theseus bestimmt, dass Demetrius und Helena ebenso wie Lysander und Hermia zusammen mit ihm und Hippolyte Hochzeit feiern werden. Zur Dreifachhochzeit führen die Handwerker ihr Stück auf.
Hauptfigur Helena zeigt einen humanistischen Glauben an die Natur der Liebe. Sie ist der Katalysator des Dramas, da Oberon als Deus ex machina durch ihre Situation zum Handeln bewegt wird. Helena wird nie für ihre unerwiderte Liebe zu Demetrius kritisiert; ihre Beständigkeit wird von anderen Charakteren im Vergleich zu ihrer wankelmütigen Natur als große Tugend angesehen. Sie zeigt auch starke platonische Liebe zu Hermia. Helena und Lysander sind romantischer und nachdenklicher als ihre Partner; sie sprechen jene Zeilen, die am relevantesten für die Themen des Stücks sind, nämlich romantische Reife und die Quelle dauerhafter Liebe. Zu Lysanders „Der Lauf der wahren Liebe verlief nie glatt“ hat Helenas Rede im ersten Akt das bekannte Zitat „Die Liebe sieht nicht mit den Augen, sondern mit dem Verstand; und deshalb ist der geflügelte Amor blind gemalt.“ So führt Oberons Entscheidung, Helena zu retten, mit dem Zauber des Koboldelfs Puck zu dessen Erfüllung.

Das Stück vereint sowohl die griechische Tragödie als auch die englische Komödie, was ihm den soliden Ruf verschafft, unspielbar zu sein: Es gibt keine starke dramatische Handlung, es ist ein Mosaik von Skizzen, die der Regisseur zu verbinden wissen muss. Bei Averty gibt es nicht den nachgestellten Naturalismus wie zuvor bei Peter Hall: Bereits der Vorspann rahmte die Namen der Schauspieler und ihrer Rollen auf wechselnde Karten, eine sorgfältig komponierte Dramaturgie, die sich einer einfachen Entschlüsselung verweigert.

Und wenn sich die Draufsicht auf das im All stehende Amphitheater zum Film öffnet, agieren die Schauspieler in Vasen, vor wechselnden Motiven, die Antike und Moderne verschmelzen lassen.
An einer griechischen Liege erfährt Helena von den Fluchtplänen ihrer Freundin Hermia mit deren heimlichem Geliebten Lysander. Dabei sind Jade, Delaroche und Ruhl von Fresken und Vasen umgeben.
Von Hermia als „schönes Kind“ begrüßt, erwidert sie „Schön nennt Ihr mich? Nein widerruft dies ’schön‘ ! Euch liebt Demetrius, beglückte Schöne !“ Unter Tränen fleht Helena, die Freundin möge sie all diese Kunst der Gunst lehren, auf dass auch die Töne ihrer Lippen süßer würden als der Lerche Lied. Je mehr sie Demetrius liebe umso mehr hasse er sie, klagt Helena. Mit ihrer Flucht überlasse sie Helena Demetrius, glaubt Hermia, die von Lysander und Demetrius geliebte Frau. Für Helena nur ein Trost.
In ihrem Monolog, im Wahn gefangen, dass sie für schön gehalten von jenen, die nur mit dem Gemüt statt mit den Augen sehen, spielt Claude Jade die Wechsel und Brüche dieser Figur virtuos auch innerhalb der Effekte Avertys. Ein verzweifelter Wahn, in dem sie den Gott der Liebe blind nennt und sich selbst hart anzuklagen im Wissen, dass der Verrat der Flucht auch ihr Innersten der Schönheit beraubt: „Zwar wenn er Dank für den Bericht mir weiß, so kauf ich ihn um einen teuren Preis.“
Helenas Monolog der Verzweiflung zeigt Averty nun in einem mal roten, mal grünem und dann blauem Medaillon, in dem Claude Jade tränenüberströmt direkt in das Auge der Kamera spielt, umrahmt von wechselnden Tarot-Karten und Herzen, die von Pfeilen getroffen werden. Wir erleben eine Schauspielerin, die sich als ungeliebte Helena hässlich fühlt und die dabei die Tragödie in der Komödie beherrscht. Wenn wir heute ihre gründlichen und klugen Aufzeichnungen ihres Theatergeschichte-Hefts während der ersten Jahre des Schauspielstudiums als Fünfzehn- und Sechszehnjährige am Konservatorium von Dijon betrachten, sehen wir in dieser Helena erneut das Resultat ihrer Ernsthaftigkeit in diesem verrückten Beruf.
In der Hoffnung, dass der von ihr Geliebte sich dankbar zeigen möge, verrät die unglückliche Helena den Plan an Demetrius. Doch sobald die beiden den Wald, Oberons Reich, betreten, ist dieser ob Helenas Unglück durch Demetrius‘ Zurückweisung entsetzt. Helena aus einer Blume Helena entdeckend, macht er sich unsichtbar und beschließt, ihr zu helfen.
Der Wald, in dem die vier jungen Athener umherirren und die Aufmerksamkeit des Elfenkönigs Oberon wecken, ist ein flirrendes Kaleidoskop. Die sanfte Christine Darbon ist hinweggeweht, wenn Claude Jade sich als Helena verzeifelt vor die Füße Dominique Serinas wirft, ihn anschreit wie eine Ertrinkende und eine Furie zugleich. Bei Averty wird der Kürbis in Anspielung an die Kutsche aus Perraults Cendrillon zum Fernseher, in dem Oberon alles sieht.
Den Elfenkönig beeindruckt die Leidenschaft der jungen Frau und der Liebeszauber, mit dem er seiner Frau Titania einen Streich spielen wollte, soll nun den Athener treffen. Doch Puck verzaubert mit dem im Wald schlafenden Lysander.
So eilt Helena weiter ihrem Demetrius nach, bis sie auf Lysander trifft, der beim Erwachen sogleich sie entflammt.

Puck soll richten und zaubert erneut: Demetrius und Lysander bedrängen nach dieser Verzauberung Helena.
Claude Jade wird sich der Umarmung Serinas entreißen und ihm in ihrer Empörung Sarkusmus vorwerfen, ebenso energisch wie sie Michel Ruhl der Perfidie anklagt. In einer ungeheuren Rasanz und Agression schmettert sie den Text Shakespeares ihren Partnern entgegen. Sie wird sich den Küssen Christine Delaroches ebenso entreißen wie deren Wunsch nach Versöhnung. Claude Jade darf ihre Kraft zeigen, wie es ihr bei Molinaro bereits ermöglicht wurde, wenn sie den großen Jacques Brel zusammenstauchen durfte.
Die Vorwürfe Helenas an ihre Freunde sind projiziert in den riesigen Kürbis, der wie ein damals moderner Fernsehapparat das Geschehen einrahmt. Und über diesem hocken amüsiert Spielleiter Oberon und sein Helfer Puck.
Wenn der Zauber nach weiteren Verwirrungen endet, die Liebenden vereint sind und das Stück in der finalen dreifachen Hochzeit gipelt, teilt sich das Bild in einen Setzkasten, in dem jeder sein Spiel spielt und der Perfektionismus Avertys immer wieder neue Überraschungen hervorbringt. Der Zuschauer hat durch bewegliche Zooms innerhalb der sich verändernden Kästen das Vergnügen, jede einzelne Figur in Großaufnahme, in amerikanischen Einstellungen und in Totalen zu erleben, inmitten eines Fernsehers, der zur Puppenstube wird.
Reaktionen
Das Ergebnis ist eine poetische Umsetzung der Shakespeare-Komödie, die am Weihnachtsabend 1969 den Fernsehschirm in ein flirrendes Bilderbuch verzaubert. Maurice Clavel schwärmt in der Neujahrsausgabe des „Nouvel Observateur“ von der Montage der Schauspieler auf den Hintergrund antiker Vasen und Fresken. Er nennt das die Sehgewohnheiten zu Beginn angreifende Werk eine vollkommen harmonische und ästhetische Wissenschaft und vergleicht den Bilderrausch auf dem Fernsehschirm mit einer Galaxie. Clavel spricht auch Claude Jade einen gewissen Anteil am Erfolg zu: „Man ist sich rasch sicher, dass Mademoiselle Claude Jade zum Sprechen keine Atempause braucht; sie agiert so schnell, dass man zu der Überzeugung gelangt, sie habe das Atmen über ihr Spiel vergessen. Und gerade das trägt erheblich bei zum Wunder dieses Films.“
Le Monde erklärt den TV-Film zum „chef-d’œuvre“ und France Soir spricht von einem epochalen Datum und einer Revolution in der Geschichte der Regie.
Zur deutschen Erstausstrahlung heißt es beim WDR: „Averty, dem eher ein Zuviel als ein Zuwenig an Einfällen vorzuwerfen wäre, hat eine bunte Phantasmagorie geschaffen, vor der Kategorien wie Kunst, Kunstgewerbe oder Kitsch versagen.“
Der Film erlang weltweit Beachtung. Als der frankophile russische Meisterregisseur Sergej Jutkewitsch Claude Jade über zehn Jahre später für die Hauptrolle der Inessa in „Lenin in Paris“ engagiert, erklärt er, der im Film auch eine Truffaut-Reminiszenz versteckt, sie neben den Truffaut-Filmen auch aus diesem „Sommernachtstraum“ von Averty als „große Schauspielerin“ zu kennen.
Statt verlockende Kinoangebote anzunehmen, hatte Claude Jade sich aus Treue zum Theater und ihrem Kindheitstraum lieber diesem Experiment verschrieben.
„Claude Jade beweist, dass man sowohl ein wahres junges Mädchen als auch eine wahre Schauspielerin sein kann.“, beginnt der Filmjournalist Henri Rode zu dieser Zeit ein Portrait der neuen Hoffnung des französischen Films: „Das könnte betäubend beängstigend sein und sie durcheinander bringen, denn mit 19 Jahren erlangt Claude Jade sofort den großen Erfolg. All jene, die sie in ihrem ersten Film gesehen haben, bedeckten sie mit Lobesreden: Diskretion, Charme, Gelöstheit und Jugend. Eine erfrischend wahre Jugend. Claude ist das einzige junge Mädchen in der stimulierenden Version, die das Kino produziert hat seit Romy Schneider… Sie unterscheidet sich stark vom Beatnikstil oder der ,unglücklichen Ophelia’ unseres Zeitalters. Man könnte sagen, sie sei die neue Catherine Deneuve, wenn Catherine nicht zu jung wäre, um schon ersetzt zu werden. Letzlich ist es keine Schande, da zu sein, wo sie sich befindet; sie entwickelt sich ernsthaft zu einem seltenen Vogel.“
In jenen letzten Tagen der 1960er Jahre, als auf die dem 17. Jahrhundert entstammende Manette die im 16. Jahrhundert geschriebene Helena folgt, fällt Henri Rode auf, dass Claude Jade keine wirklich zeitgemäßen Figuren spielt: „In ihrer flexiblen und nicht nachlassenden Grazie ist in der sehr zarten Claude Jade eine Mathilde de la Mole zu entdecken, ein junges Mädchen à la Balzac, eine Heldin Mussets. Aber sie scheint dazu auch einen unbeugsamen Willen zu haben.“
Auf Henri Rodes Bitte, sich zum modischen Stil der Super-Vedettes Bardot, Jane Birkin, Nathalie Delon und Raquel Welch zu äußern, erklärt sie, Bardot und Welch „in ihrer Art“ zu bewundern: „Man muss seiner Persönlichkeit und seiner Natur folgen. Andererseits“, entgegnet sie maliziös lächelnd, „glauben Sie denn, dass ich wirklich ein Engel bin? Ich möchte lieber ein kleines Luder spielen. Unter einer reinen Ausstrahlung hat eine solche Rolle doch mehr Gewicht. Sehen Sie nur Catherine Deneuve in ,La sirène du Mississippi’ und die von Alfred Hitchcock gewählten kühlen Frauen, die in sich glühende Kohlen verbergen.“ François Truffaut, den sogar Claude bei seinem Kummer mit jener Catherine tröstet, verpasste diese Chance, als er 1971 daran dachte, Claude Jade die Rolle der freizügigen, ordinären und bildungsresistenten Männermörderin Camille Bliss in „Ein schönes Mädchen wie ich“ zu geben und es ließ, weil er sie dann als „zu jung“ empfand und die Rolle eins zu eins mit der zehn Jahre älteren Bernadette Lafont besetzte. Eine gewiss auch treffende Wahl, doch auch eine etwas geheimnislose.
Claude Jade
Weg von den wahren jungen Mädchen hin zu den wahren jungen Frauen:
Claude Jade möchte die Luder unter dem Anschein von Reinheit spielen
Statt sich brav und unschuldig am Anblick der Margueriten zu erfreuen,
werden die Gänseblümchen von nun an gekaut.
Wie sie sich selbst empfände, fragt Rode. „Ich unterscheide mich von einigen anderen, weil ich physisch wirklich als nicht sehr modern gelte. Glücklicherweise habe ich auch kein Bedürfnis einer Entsprechung nach dem Diktat der Mode. Ich glaube, das wird bei mir auch noch etwas andauern. Eine bestimmte Physis, die zu sehr ihrer Zeit verhaftet ist, kann, wenn die Mode geht, vorbei sein… Ich hoffe allerdings, mich zu entwickeln; nicht immer die jungen Mädchen oder jungen Frauen zu spielen. Ich möchte wahre Frauen verkörpern.“
Die folgt, denn noch während am „Sommernachtstraum“ gearbeitet wird, schreibt François Truffaut ihr am 22. November 1969: „Meine liebe Claude, du hast mich zum Mittagessen zu dir nach Hause eingeladen. Ich hoffe, dass das noch gilt. Ich werde am 1. Dezember nachmittags nach Paris zurückkehren. Bitte ruf mich an. Deine Rolle in Domicile conjugal wird wichtig und schön sein, vielleicht nicht immer leicht zu spielen, aber wir werden gut arbeiten. Ich hoffe sehr, dass du vor diesem Dreh nichts anderes machst und vor allem keine weiteren Fernsehsendungen. Ruf mich an, ich denke fest an dich und mit Zärtlichkeit umarme ich dich herzlich, François. „
Videoausschnitt
Stab und Besetzung:
Le songe d’une nuit d’été (Ein Sommernachtstraum)
TV-Film 1969 Regie und Adaptation: Jean-Christophe Averty, nach William Shakespeare Kamera: Claude Galland Musik: Jean-Claude Pelletier Choreographie und Ballett: Jean Guélis Schnitt: Christiane Coutel Schnittassistenz: Michel Lemaire Kostüme: Josette Vernier, Kostümassistenz: Jacqueline Herbouze Spezialeffekte: Max Debrenne Ton: Georges Lazare Vison-Ingenieur: Jacques Dodu Assistenten Effekte und Vision: Pierre Régnier, Philippe Villette Grafische Leitung: Roger Dauvillier Grafiken: Terry Guitare, Shelley Stromp, Louis Caballero, Pierre Merlin Maske: Andrée Guikovary, Nadine Fraigneau, Elyane Hardy, Catherine Mostardi Frisuren: Nicole Dalence, Françoise Augier, Solange Franco Kameramänner: Jean-Pierre Barizien, Jean-Claude Couchoud, Marazio Gabbani, Serge Palatzi, Jean Van Waerbeke, Kameraassistenten: Simon Freige, Jean-Claude Yersin Chef-Elektriker: Jean Daurref, Jean Chapelle Setleiter: Jean Picard Produktionsleitung: Georges Coëffier Script: Catherine Donaud Regieassistenten: Patrick Leguen, Michel Rey, Pierre Darnault Ballettassistenz: Maria Yakomova EA: 25.12.1969 DA: 22.12.1971 WDR, BR, SFB, 20.05.1972 HR, 14.01.1973 NDR
Darsteller: Claude Jade (Helena), Jean-Claude Drouot (Oberon), Michel Tureau (Puck), Christine Delaroche (Hermia), Michel Ruhl (Lysander), Dominique Serina (Demetrius), Christiane Minazzoli (Titania), Marie Versini (Hippolyta), Benoit Allemane (Theseus), Michel Robin (Starveling/Crêve la faim, der Schneider), Jacques Ferrière (Bottom, der Weber), Michel Muller (Snout/Groin, der Kesselflicker), Michel Modo (Flute, der Blasebalgflicker), Guy Grosso (Quince/Lecoing, der Zimmermann), Gil Baladou (Snug/Etriqué, der Tischler), Henri Virlojeux (Egeus), Pierre Louki (Philostrate), Hélène Manesse (die Fee), Dupont (Toile d’araignée), Pondu (Fleur de pois), André Badin (Phalène), Jacques Marchand (Grain de moutarde) und als Feen: Nathalie Brehal, Catherine Cardineaux, Marie Danielle Corner, Bob Crouve, Björn Dereville, Kardy Drach, Babette Ducray, Gilles Jacquemin, Aliosa Kisprodilov, Alain Le Bihan, Feen-Ballett: Anne Marie Raguin, Zizi Raskos, Arnelle Reber, Reginald Riedel, Ljubomir Stojanovic, Joelle Thuaux, Monique Vence, Sylvie Leroy, Julio Medina, Juliette Naylor, Kouka Miller, Hector Nuñez, Ada Podkovac und Zvonko Zvonimir Podkovac.






















